Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

§ 2. Wie die Geschöpfe Gott verherrlichen sollen. 111 
nung ist aber in Wirklichkeit ein Trieb, in immer größerem Maße an 
der Vollkommenheit Gottes, der Quelle alles Guten, teilzunehmen und 
dadurch zu seiner Verherrlichung beizutragen. Das gilt ganz besonders 
vom Menschen mit seinem angebornen Trieb, sich zu vervollkommnen. 
Die Vervollkommnung des Menschen ist ja die Vervollkommnung des 
göttlichen Ebenbildes, da er nach Gottes Ebenbild geschaffen ist. 
Doch nicht bloß einzeln genommen verkünden die Geschöpfe Gottes 
Ehre, sondern auch durch ihr geordnetes, harmonisches Zu 
sammenwirken zu einem großen, nach einem einheitlichen Plane 
geordneten Ganzen. Wer mit offenem Auge in das Triebwerk des Welt 
alls hineinblickt, kann sich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß 
alle die unzähligen, großen und kleinen Wesen darin, obwohl sie nur 
auf ihr eigenes Wohl bedacht zu sein scheinen, dennoch unbewußt und 
planmäßig zu einem großartigen, überwältigenden Ganzen zusammen 
wirken. Ein Unsichtbarer, Allgewaltiger leitet sie am goldenen Zügel 
mächtig und sanft zugleich fortwirkend von einem Ende des Weltalls 
zum andern. Sie bilden eine immerwährende, stetig wechselnde und sich 
verjüngende, göttliche Kunstausstellung, aus der wie mit Flammenzügen 
der Name der ewigen Macht, Weisheit und Güte hervorleuchtet. 
2. Die vernünftigen Geschöpfe sollen zwar auch wie alle 
andern Dinge, ja in noch höherem Grade, durch ihre Schönheit und 
Vollkommenheit die Größe Gottes offenbaren, gewissermaßen zum Lobe 
ihres Werkmeisters auffordern. Der Mensch ist der kurze Inbegriff, 
die Perle und die Krone der ganzen sichtbaren Schöpfung. 
Aber sie sollen nicht bloß in diesem weiteren, sondern auch im 
eigentlichen und strengen Sinne Gott verherrlichen durch Anerken 
nung, Liebe und Huldigung. Das ist die besondere Aufgabe 
der Vernunftwesen, die sie vor allen übrigen Geschöpfen auszeichnet. 
In der Tat: 
a) Jedes Geschöpf soll nach Maßgabe seiner Fähigkeit Gott verherr 
lichen, wie gezeigt wurde. Nun ist aber der Mensch als Vernunftwesen 
fähig, Gott im eigentlichen und formellen Sinne zu verherrlichen. Er ist 
ihm also diese Huldigung schuldig. 
b) Gott kann nur dadurch im eigentlichen formellen Sinne durch die 
ganze Schöpfung verherrlicht werden, daß sie die vernünftigen Wesen zur 
Liebe und zum Lobe Gottes hinführt. Denn die Verherrlichung im eigent 
lichen Sinne ist Anerkennung, Liebe und Huldigung. In dieser Weise 
kann aber die vernunftlose Schöpfung nicht selbst Gott verherrlichen, son 
dern nur durch Vermittlung des Menschen, indem sie diesen zur 
Kenntnis und Liebe Gottes führt. Also muß es Aufgabe des Menschen 
sein, diese Vermittlung zu übernehmen und nicht nur im eigenen Namen, 
sondern gewissermaßen im Namen der ganzen Schöpfung
	        
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