Full text: Allgemeine Moralphilosophie. (01)

§ 3. Der untergeordnete Endzweck der Schöpfung. 
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2. Obwohl Gott durch die Schöpfung das Wohl aller seiner Ge 
schöpfe ohne Ausnahme bezweckte, so wollte er doch das Wohl der gesamten 
vernunftlosen Natur mit Unterordnung unter das 
Wohl des Menschen. Wie Gott der Zweck der gesamten Schöpfung, 
so ist der Mensch der unmittelbare Zweck der Vernunftlosen Natur. 
a) Das Niedrigere ist um des Höheren wegen. Der Mensch ist aber 
der Höhepunkt und die Krone der ganzen sichtbaren Schöpfung. Deshalb 
ist diese ihm untergeordnet, sie hat ihm zu dienen. 
b) Der höchste Endzweck der Erschaffung aller Dinge war die O s f e n - 
barung der unendlichen Güte und Vollkommenheit 
Gottes. Wem gilt diese Offenbarung? Sich selbst konnte der Unend 
liche nichts offenbaren. Ebensowenig den vernunstlosen Wesen, die Gott 
nicht zu erkennen vermögen. Also wollte Gott durch die Schöpfung dem 
Menschen seine Güte und Vollkommenheit offenbaren. I h m sollen 
alle vernunftlosen Geschöpfe dienen, indem sie ihm die Güte und Größe 
Gottes verkünden, ihm zur Kenntnis und Liebe Gottes verhelfen und 
die Mittel zum Dienste Gottes darbieten. Erst durch diese Zweckbeziehung 
zum Menschen bekommt die sichtbare Welt Sinn und Bedeutung. Ohne 
ihn wäre sie ein öder, unermeßlicher, von allerlei Getier bevölkerter Ur 
wald ohne Sinn und Zweck oder ein Riesenpalast mit wohleingerichteten 
Wohnräumen ohne Herrn und Bewohner. 
c) Alle Dinge der sichtbaren Schöpfung, organische und anorganische, 
sind so geeigenschaftet, daß sie den Menschen nicht bloß mannigfachen 
Nutzen gewähren können, sondern auch tatsächlich in der verschiedensten 
Weise dienen. Also hat Gott auch diesen Dienst gewollt. Denn die 
Unter- und Überordnung, die sich aus der Natur der Dinge ergibt, müssen 
wir als von Gott gewollt ansehen, der die Welt nicht planlos geschaf 
fen hat. 
Wie mannigfach dient die Schöpfung dem Menschen! Was wäre der 
Mensch ohne das Licht der Sonne, das ihm leuchtet und ihn wärmt, ohne 
die Luft, die er atmet, ohne die Erde, die ihn trägt, ohne die Pflanzen 
und Tiere, die ihn ernähren und kleiden, ohne das Feuer, das ihn er 
wärmt und ihm seine Nahrung und seine Werkzeuge bereiten hilft? 
Selbst in seinem Erkennen und Begehren, sowohl in der sinnlichen als 
geistigen Ordnung, ist er ganz auf den Dienst der sichtbaren Welt ange 
wiesen. Aus ihr schöpft er seine Begriffe von Sein, Ordnung, Güte, 
Schönheit, Bewegung, Ursache, Kraft usw., an deren Hand er zum Ur 
quell aller Wahrheit emporsteigt. Sie dient ihm auch als Schauplatz 
seines sittlichen Lebens, seines allseitigen Schaffens und Ringens. 
ck) Auch das Bedürfnis des Menschen beweist, daß die vernunft 
losen Geschöpfe ihm als Mittel dienen sollen. Gott konnte ihn nicht er 
schaffen, ohne ihm einen angemessenen Wohnort, ein passendes Feld 
Calhrein, Moralphilosophie. I. 8. Aufl. 8
	        
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