Full text: Geschichte der Rechtsphilosophie (1)

290 III- Buch. V. Abschn. Das Syst d. Revolut. als d. Vollend, d. Raturr. 
bildung Wie dort in ihrer untersten Grundlegung, hier von ihrer 
praktischen wie dort von ihrer theoretischen Seite. Das Natur 
recht sucht apriorische Erklärung und Rechtfertigung des Staates, 
die Revolution dagegen apriorische Errichtung und Gestaltung 
des Staates. Das heißt: jenes macht den Versuch, den Staat 
in Gedanken abzuthun und rein aus der Vernunft zu deduciren, 
diese macht den Versuch, ihn in der Wirklichkeit abzuthun und 
rein aus der Vernunft einen neuen zu gründen. Nach beiden 
aber wird der Vernunftstaat bloß auf dem Gedanken der Freiheit 
oder des Willens des Menschen aufgeführt. Das Naturrecht 
ist darum so nachgiebig, wo es die Wirklichkeit gegen sich hat, 
es läßt sich jeden Zustand gefallen und sucht ihn durch Unter 
legung einer stillschweigenden Einwilligung zu rechtfertigen, um 
sein theoretisches Interesse zu befriedigen; die Revolution dagegen 
will die Macht der Wirklichkeit brechen, sie vernichtet jede Ein 
richtung, die nicht aus ihren reinen Vernunftbegriffen folgt. 
Jenes erdichtet für jede Verfassung, die Menschen hätten sie 
gewollt, damit es sie als frei denken könne, diese duldet keine 
Verfassung, die sie nicht gewollt, damit sie wirklich frei seyen. 
Der Schriftsteller des Liberalismus im emineten Sinne 
ist Rousseau. Bei ihm ist das Princip des ältern Natur 
rechts folgerichtig auf den Punkt geführt, auf welchem es die 
vollständige Lehre der Revolution ergiebt und es nichts weiter 
bedurfte als der Vollziehung. Er geht deßhalb der französischen 
Revolution voraus, ähnlich wie die Erklärung des Physikers 
dem Experimente. Doch zeigte er sich als schlechten Physiker; 
denn das Experiment mißlang. 
Es hat sich aber das Naturrecht keineswegs aus sich selbst 
heraus zu der Lehre Rou sseau's und der Revolution fortge 
bildet, sondern die praktische Wendung und die Energie kommen 
aus einer anderen Quelle, deren Strömung durch die neuere
	        
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