Full text: Geschichte der Rechtsphilosophie (1)

1. Kap. Die Ausbildung der Bolkssouveränetätslehre bis auf Rousseau. 293 
tragen, endlich daß es auch die Strafgewalt über den König 
habe. Bewiesen wird das: zunächst aus der Natur der 
Sache (lex naturae), weil die Gewalt nur zum Zweck des Volks 
bestehe, weil ein Volk möglich sey ohne König und nicht umgekehrt, 
weil das Volk früher sey als der König (so gleichmäßig bei Allen) 
—, ferner aus der heiligen Schrift, den Aussprüchen, daß 
die da herrschen nur Diener seyn sollen, daß wer den Namen 
des Herrn nicht anruft (auch der König) des Todes sterben soll, 
deßgleichen den alttestamentlichen Vorgängen, namentlich der 
Erwählung Sauls durch das Volk —, dann aus dem Vor 
bild der Römer (besonders bei Milton), theils den Aeuße 
rungen berühmter Männer, z. B. des Cicero, Tiberius, theils 
den Staatsgesetzen, namentlich der lex regia, durch welche das 
Volk die Gewalt auf die Kaiser übertragen —, endlich aus 
der Analogie zu kirchlichen Verhältnissen (bei Bu- 
chanan und Languet), indem bereits in der katholischen Kirche 
eine mächtige Partei behauptete, daß die gesammte Kirche (das 
Episkopat) über dem Papste sey, daß man den Papst und den 
Menschen, der Papst sey, unterscheiden müsse u. dgl. 
Das also ist ein hier bereits ausgebildeter Gedanke, daß 
alle Macht und Majestät ursprünglich beim Volk ist und nur ab 
geleiteterweise beim König*). Aber dieser Gedanke erscheint hier 
noch vereinzelt ohne Zusammenhang mit einer allgemeinen wissen 
schaftlichen Auffassung des Staates, wie die Naturrechtslehre 
des Grotius und Hobbes eine solche ist. Namentlich fehlt bei 
allen diesen Schriftstellern der dem Grotius'schen Naturrecht 
angehörige Gedanke von der Gründung des Staates durch Ver 
trag, in welchem erst principmäßig der menschliche Wille über 
*) ,Ut potestatem sic majestatem etiam populo adimere et in re 
gem conferre studes, vicariam si vis et translatitiam, primariam certe 
non potes uti nec potestatem.” Milton cap. 7.
	        
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