Full text: Geschichte der Rechtsphilosophie (1)

1. Kap. Die Ausbildung der Bolkssouveränetätslehre bis aufRousseau. 295 
diese Empörungslehre, welche ohne wissenschaftliche Auffassung 
des Staats bloß ans den praktischen Zweck ausging, das Volk 
zum Richter über die Könige und zum Rächer der Tyrannei 
zu machen. Es ist zuerst Si dney und nach ihm Locke, welche 
diese praktische Empörungslehre und jene wissenschaftliche Staats 
lehre des Naturrechts mit einander verbanden und dadurch das 
System der Revolution gründeten, das dann Rousseau zur 
Vollendung brachte. 
Sidney folgt der Spur jener Schriftsteller, namentlich 
Miltons, bekämpft die Lehre von der gesetzlosen königlichen 
Gewalt und dem unbedingten Gehorsam, namentlich gegenüber 
Filmer, beweist aus der Natur der Sache die Superiorität der 
Völker über die Fürsten, die Freiheit der Menschen in Einrichtung 
ihrer Verfassungen und Auswahl ihrer Herrscher. Dazu nun 
eignet er sich die naturrechtliche Deduktion des Staates an, und 
zwar in der Gestalt, die ihr sein Landsmann Hobbes gegeben: 
wie die Menschen ursprünglich in einem Naturstande völliger 
Unabhängigkeit sich befinden und aus wechseitiger Furcht durch 
Vertrag den bürgerlichen Zustand errichten*). Aber gemäß je 
ner lebendigen Triebfeder der Beugung des Königthums unter 
das Volk modificirt er diese Naturrechtstheorie, macht sie aus 
einer beschaulichen zu einer revolutionären. Das geschieht am 
entscheidendsten durch seine Beseitigung des stillschweigenden Ver 
trags, den das Naturrecht bis dahin allgemein dem Bestände 
der Staaten untergelegt. Er nimmt den ersten Satz des Natur 
rechts an, daß die Unterthanen der Staatsgewalt nicht anders 
gebunden seyn können als durch ihre Einwilligung; aber er läugnet 
seinen zweiten Satz, daß überall und namentlich unter despotischer 
Verfassung diese Einwilligung ertheilt oder vorauszusetzen sey, und 
'') Sidney (f 1683) discourses of government cap. II, sect. 1.
	        
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