1. Kap. Die Ausbildung der Volkssouveranetätslehre bis auf Rousseau. 297
selben Weise wie Sidney, die Naturrechtstheorie (das „perfect
freedom” des Naturstandes und die Gründung des Staates
auf Vertrag) mit den Ideen der Königthumsbekämpfung. Darin
jedoch nähert er sich noch einen Schritt an Rousseau, daß er
den Gedanken, der übrigens bereits bei Milton dämmert, be
stimmter ausspricht: die königliche Gewalt sey niemals eigent
liche Souveränetät (eupreme pover), oder könne doch nur in
gewissem Sinne als solche betrachtet werden*). Indessen ruht
doch seine ganze Auffassung immer noch darauf, daß der König
durch Vertrag und Uebertragung ein wirkliches Recht (wenn
auch nicht die Souveränetät im eigentlichen Sinne) erlangt,
und er widmet deßhalb gleich den Vorgängern einen eignen
Abschnitt der Rechtfertigung der Empörung gegen die Tyrannen,
das ist dem Beweis, daß dem König bei Mißbrauch die (also
wirklich) übertragene Gewalt wieder genommen werden könne.
Es blieb daher, um die Volkssouveränetätslehre zu vollenden,
immer noch der Schritt übrig, daß das Volk seine Gewalt gar
nicht überträgt, der König nie ein Recht erlangt, daß deßhalb
der ganze Begriff einer Empörung wegfällt, indem Entthro
nung des Königs, selbst grundlose, nichts Andres ist als die
immerdar zuständige Verfügung des immerdar legitimen Sou
veräns, des Volks. Diesen Schritt that Rousseau.
Gleichzeitig ward die Empörungslehre, wiewohl von einem
ganz andern Standpunkte aus, durch die Jesuiten ausgebildet.
Sie lehrten im Interesse des Papstthums, daß die weltliche
*) Nemlich das Volk als gesetzgebend ist das suprems power, aber da
die gesetzgebende Versammlung nicht immer in Thätigkeit ist, so möge man
wohl die exekutive, die zugleich einen Antheil an der Gesetzgebung hat,
supreme power nennen; aber eben nur als Exekutor der Gesetze §. 149.
So hatte auch Milton (cap 8) von dem englischen König gesagt: „neque
soiw ad leges ferendas sed ad custodiendas a pupulo latas constitutus
erat.”