Full text: Geschichte der Rechtsphilosophie (1)

46 l. Buch. Ideale und empirische Rechtsphilosophie. 
Nothwendigkeit nach einem andern Maaße als seinem Willen, 
ja selbst gegen denselben trifft. Böses zu leiden, kann kein 
Recht der Feinde seyn; es ist also auch nicht als Recht der 
Freunde verstanden, daß sie Gutes erhalten. Nicht die schir 
mende Gerechtigkeit bezeichnet jene Bestimmung gleich der rö 
mischen Rechtsregel, sondern die vergeltende. 
Das ist der objektive Charakter des griechischen Wesens: 
Das Ethos ergeht an die gegenständliche Welt und fordert 
ihre, nicht des einzelnen Menschen, Vollendung, und das Handeln 
soll in keinem Punkte bloß von seinem eignen Willen, sondern 
überall von der Ordnung über ihm bestimmt werden. Derselbe 
Charakter geht durch die Wissenschaft. So wie hier die allge 
meine Frage nach der Ursache und dem Ende der Dinge sich 
aufdringt, so zieht sich der Forschende keineswegs in die eigne 
Brust zurück, um hier verschlossen gegen alles Aeußere die 
Antwort zu finden. Sein Denken bewegt sich stets in dem 
großen Gegenstände der Welt, die ihn umfängt und die er in 
unbefangener Beschauung in sich aufnimmt. Den Zusammen 
hang in den Dingen selbst, den Verstand, der sich in ihnen 
ausprägt, verfolgt die Forschung. Sie hat nicht die Anfor 
derung, ja nicht das Zugeständniß, eine Lösung zu suchen vor 
aller Rücksicht auf dasjenige, was gelöst werden soll. Daher 
hat die griechische Philosophie die freie lebensvolle Behandlung. 
Sie zieht den ganzen Reichthum der Schöpfung in sich herein, 
sie ergreift das Werden und Wachsen, das Wandeln und Ver 
gehen in der ganzen Mannigfaltigkeit und Bewegtheit, wie sie 
das Leben selbst darstellt. Von dieser Welt, welche sie außer 
der Vernunft des Betrachters anerkennt, mußte sie denn auch zu 
einem Principe derselben, welches außer seiner Vernunft besteht, 
zu einem objektiven Principe gelangen, Wasser, Feuer, dem 
Naturzweck, der Idee. Sie gesteht diesem eine eigenthümliche
	        
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