Full text: Aufsätze, Reden und Briefe

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gierlicher Staat der Arbeiterschaft etwas von allein herausgibt. 
Nein! Alles muß erst erkämpft werden. Wir haben 
in Baden während dieser Tagung erreicht, daß die Or 
ganisationen der Staatseisenbahnarbeiter ausdrücklich aner 
kannt worden sind. Die Regierung hat sich verpflichtet, in 
wichtigen Fällen sich direkt mit den Organisationsleitern in 
Verbindung zu setzen, während sie früher jahrelang erklärt 
hat, sie verhandele lediglich mit ihren Arbeitern oder deren 
Ausschüssen. Gewiß wird dadurch der Klassenstaat noch 
nicht aus den Angeln gehoben, aber wenn wir damit ver 
gleichen, daß in Preußen die Eisenbahnarbeiter verhindert 
werden, sich einer Organisation anzuschließen, daß nicht ein 
mal die Frauen der Eisenbahner einem Konsumverein ange 
hören dürfen, dann haben wir doch Grund, zu sagen, 
daß etwas erreicht ist. Weiter ist uns die Zusage ge 
macht, daß in den Eisenbahnrat, der allerdings nur beratende 
Stimme hat, Arbeiter, Gewerkschaftsvertreter zugezogen wer 
den. Das ist jedenfalls ein Ausfluß der Erkenntnis, daß die 
Macht der Arbeiterklasse Gleichberechtigung und Berücksich 
tigung auf allen Gebieten des staatlichen Lebens fordert. Es 
ist weiter von seiten der Regierung bei wichtigen Fragen, zum 
Beispiel dem Entwurf über die Arbeitskammern, das Gut 
achten der freien Gewerkschaften eingeholt worden. Unser 
Fabrikinspektor und der Minister v. Bodtnan, der gegen uns 
die Hetzrede gehalten hat, hat sich in der Kammer ausdrück 
lich auf den Standpunkt gestellt, den die freien Gewerkschaf 
ten dem Entwurf gegenüber eingenommen haben. Er hat sich 
für das gleiche, allgemeine, geheime und direkte Wahlrecht 
für alle Arbeiter vom 21. Jahre an, ohne Unterschied des 
Geschlechts, erklärt und hat diesen Standpunkt zweifellos 
auch im Bundesrat vertreten. Es ist weiter in der Kammer 
durch den Fabrikinspektor unter Zustimmung des Ministers er 
klärt worden, daß er es ablehmen müsse, die christlich-natio 
nale Arbeiterbewegung zu empfehlen auf Kosten der freien 
Gewerkschaften. Endlich können wir seit einigen Monaten 
auf den badischen Bahnhöfen die Parteipresse verkaufen. Ich 
weiß, daß bei der Wertschätzung, die unsere süddeutschen 
Parteiblätter in manchen Kreisen genießen, Ihnen das nicht 
besonders wertvoll erscheinen mag. Aber für uns hat es den 
Wert, daß wir dadurch beweisen: wir sind auf dem Wege zu 
voller bürgerlicher Gleichberechtigung.
	        
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