119
Nun war aber der Grund zur Budgetbewilligung nicht zu
suchen in dien kleinen Zugeständnissen bei unserer Landtags
tätigkeit, sondern der Grund, den wir angaben, war der: Wir
haben im letzten Landtag eine wesentliche Erhöhung der Be
amtengehälter und der Arbeiterlöhne durchgesetzt. Es ist
nicht so, daß bloß Gendarmen und Staatsanwälte davon Nutzen
haben, wie ein norddeutsches Blatt schrieb, es waren Tausende
von Eisenbahnarbeitern, Wegarbeitern, von Bürodienern usw.,
lauter arme Teufel, Proletarier, die zu uns gehören und die
wir gewinnen wollen und gewinnen können. Im einzelnen
gewiß nicht Riesensummen, aber, wenn zum Beispiel die
Weichensteller früher ein Anfangsgehalt von 600 und Höchst
gehalt von 900 M. hatten, während sie jetzt ein Anfangs
gehalt von 1000 und Höchstgehalt von 1400 M. haben, so
werden Sie mit Recht sagen: Das sind immer noch erbärmliche
Gehälter, aber für eine Arbeiterfamilie bedeutet das etwas
und das werden die Genossinnen verstehen, wenn sie ge
zwungen waren, bis jetzt mit 600 M. auszukommen und über
Nacht wird ihr Jahresbudget auf 1000 M. erhöht. Wir haben
es für wichtig, für durchschlagend gehalten, daß wir den
Anteil der Arbeiter am Gesamteinkommen des Landes erhöht
haben.
Aber ich sage es ganz offen und Bebel hat es auch schon
angedeutet, wir haben noch einen Grund gehabt, der durch
schlagend war bei unseren Fraktionsberatungen. Wir haben
diesen Grund bei den Erklärungen nicht mit angegeben, weil
wir uns nicht für verpflichtet gehalten haben, unseren Geg
nern die Motive unseres politischen Handelns) rnitzuteilen; Sie,
Parteigenossen, haben einen Anspruch darauf, es zu hören.
Wir haben in Baden eine parlamentarische Konstellation,
wie sie wohl ziemlich selten vorkommt. Es besteht keine
Mehrheit einer bürgerlichen Partei; wir zwölf Sozialdemo
kraten sind das rote Zünglein an der parlamentarischen Wage
und wir haben diesen parlamentarischen Zustand dadurch her-
beigefühirt, daß wir bei den vorigen Landtags wählen 1905
im zweiten Wahlgang den sogenannten Großblock bildeten,
daß wir zusammengegangen sind, offen zusammengegangen
mit den Liberalen aller Schattierungen, auch mit den National
liberalen. Nun, Genossen, wir haben dadurch erreicht, daß
das Land bewahrt geblieben ist vor einer klerikalen Mehrheit,
die sonst unter allen Umständen eingetreten wäre und wir sind
stolz darauf, daß wir das erreicht haben. Genossen, ich sage