Full text: Aufsätze, Reden und Briefe

Gegen den schwarz-blauen Block 
Der Reichstag des gefallenen Bülowblocks, in dem sich Zentrum 
und Konservative schnell wieder zu gemeinsamer Politik gefunden 
hatten, stellte Frank noch vor eine große Aufgabe: die elsaß-loth 
ringische Verfassung. Die Reichslande forderten seit langem eine 
Gleichstellung mit den anderen Bundesstaaten, d. h. ein eigenes Ge 
setzgebungsrecht, das ihnen bisher versagt war. Sie wollten einen 
Landtag mit gleichem Wahlrecht. Der Reichstag hatte wiederholt 
die gleichen Forderungen aufgestellt, die Regierung konnte sich 
ihnen schwer entziehen, da die Stimmung! der Reichslande für deren 
Verbleiben bei Deutschland in der Zukunft entscheidend war. Jetzt 
konnte sich Franks Drang nach politischer Gestaltung im Reichstag 
zum ersten Mal Genüge tun. Anv 17. Dezember 1910 legte die Re 
gierung dem Reichstag einen neuen Entwurf vor. Frank sah sofort 
die Aufgabe: Die Regierung war durch die Stimmung der Reichst 
lande gezwungen, demokratischen Forderungen mehr entgegenzu 
kommen, als es ihren Neigungen und sonstigen Gewohnheiten ent 
sprach. An den Verfassungen des Reiches und der übrigen Bundes 
staaten waren der elsaß-lothringischen bestimmte Grenzen gezogen. 
Bis zu diesen Grenzen mindestens mußte die Regierung so vor 
sichtig getrieben werden, daß sie nicht in ihrem Widerwillen gegen 
Volksrechte den lauernden Konservativen in die Arme fiel und mit 
der schwarz-blauen Mehrheit des Reichstags ein Klassenwahlrecht 
machte. Die Sozialdemokratie mußte also für eine Verfassung 
stimmen, die weit entfernt war von dem Bild, das sie von einer 1 
Verfassung hatte, um die Verfassung selbst und das gleiche Wahl 
recht durchzusetzen. Das Werk gelang. Unter einem Reichskanzler, 
der sich kurz vorher abfällig über das gleiche Wahlrecht geäußert 
hatte, erhielten die bisher verfassungsmäßig beinahe als Kolonial 
gebiet behandelten Reichslande eine Verfassung, die freier war als 
die des größten, führenden Bundesstaates, Preußens. 
Am 1. Januar 1912 waren Neuwahlen zum Reichstag und 
brachten einen Sieg, wie ihn trotz der Nachwahlerfolge nie 
mand erwartet hatte: 110 Mandate; Frank war wieder in Mann 
heim gewählt. 
Neuwahlen; Politische Skizzen 
Der Reichstag 
Im „Pan“, 15. Dezember 1910 
Der Deutsche Reichstag ist überreif, greisenhaft. Im 
nächstein Herbst vielleicht, wenn welke Blätter fahlen, ist auch 
ihm die Auflösung beschieden. Kein ehrenreicher Nachruf 
winkt ihm. Seine Taten werden gebrandmarkt als Brot- und
	        
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