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Die elsaß-lothringische Verfassung
Im Reichstag
26. Mai 1911
Ich habe im Namen meiner Fraktion über unsere Stellung
zu den beiden Gesetzen folgende Erklärung abzugeben:
Die sozialdemokratische Fraktion bedauert lebhaft, daß
es ihr nicht gelungen ist, für Elsaß-Lothringen eine ihren
Forderungen entsprechende demokratische Verfassung zu er
ringen. Die Uebertragung der Staatsgewalt auf den Kaiser
und die Errichtung einer Ersten Kammer stehen in Wider
spruch mit den Wünschen der Mehrheit der Elsaß-Lothringer,
deren Interessen wir vertreten haben. Auch die Aufenthalts
und Wohnungsbedingungen, an welche die Ausübung des
Wahlrechts geknüpft wurde, sind Rückständigkeiten, deren
energische Bekämpfung und deren Beseitigung unser Ziel
bleiben wird. Wir haben aber das Vertrauen, daß das all
gemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, das die
verbündeten Regierungen nicht mehr versagen konnten, die
Kraft haben wird, den Willen des elsaß-lothringischen Volkes
auch gegen Erste Kammer und Kaisergewalt durchzusetzen,
und wir sind überzeugt, daß die Rückwirkung der Einführung
dieses Wahlrechts auch auf die andern, in dieser Beziehung
zurückgebliebenen Bundesstaaten nicht wird aufgehalten
werden können.
Das sind in Kürze die Gründe, die uns bestimmen, trotz
aller Bedenken für die Verfassung und für das Wahlgesetz
zu stimmen.
An fgnaz Schlomer
j ? Mannheim, 28. Mai 1911
Herzlichen Dank und Gegengruß! Du jährst Dich ja
jetzt auch. Deine Vermutung ist richtig: Ich bekomme in
Straßburg ein Denkmal als Vater der Verfassung.
Dein L..
An Leonie Meyerhof-Hildeck
Freundin ^ Mannheim, 2. Juni 1911
Ich bin schon am Sonntag in Berlin ausgerissen und
stecke hier in der Büro- und Gerichtspraxis. Es ist mir
eine rechte Erholung, wieder nach all dem Zank über Ver
fassung und Versicherung die kleinen Schmerzen der kleinen