darf er als bekannt voraussetzen, und wenn er etwas erklären
will, kann er Bilder und Vergleiche nur aus der engen Vor^-
stellungswelt seiner Hörer nehmen. Wer das fertig bringt,
der findet dankbaren Beifall. In einem Schwarzwalddorf
weigerte sich die brave Wirtin, die paar Pfennige für meine
Bretzel und für mein Glas Bier anzunehmen. Den Musikanten
und dergleichen fahrenden Leuten wird bei guten Leistungen
eben die Zeche geschenkt. Am besten wirkt immer der An
schauungsunterricht. Ich erzähle, daß der Antrag, die Alters
rente statt nach dem 70. schon nach dem 65. Lebensjahre
zu gewähren, von den rückschrittlichen Parteien abgelehnt
worden ist, und fordere die über 65 Jahre alten Anwesenden
auf, sich zu erbeben. Oder ich stelle fest, daß die Erbanfall
steuer die Erbschaften unter 20 000 M. nicht getroffen hätte,
und bitte dann, daß alle vortreten sollen, die schon an einem
Nachlaß über dieser Grenze beteiligt gewesen sind. Den
tiefsten Eindruck machen auch jetzt noch, wie in den Tagen
von Florian Geyer und Thomas Münzer, mammonfeindliche
Bibelstellen. Das Evangelium kann aufreizender wirken als
das Kommunistische Manifest. Jede kämpfende Klasse holt
sich aus Gottes Wort die Waffen. Der Bischof, als Schützer
des Besitzes, ruft: „Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben!“
Der arme Mann tröstet sich: „Eher geht ein Kamel durch ein
Nadelöhr, denn ein Reicher in den Himmel!“ Die Religion ist
ein geistiger Gärungsstoff für viele im Lande. Das gleiche
gilt für die nationalistischen Ideen, die durch Schule und
Militärvereine verbreitet werden. Ich wurde an einem Abend
gefragt, warum Deutschland nicht Frankreich durch einen
Krieg gezwungen hätte, Marokko herauszugeben. Ich fragte
zunächst wieder, ob man einfach dem Nachbar Land weg
nehmen dürfe, sobald man es brauche. Die Antwort war
sehr klar: der einzelne dürfe es nicht, aber ein Volk habe
das Recht dazu. Nun wollte ich wissen, ob ein Krieg nicht
furchtbares Elend über die beteiligten Nationen bringe, und
ob es nicht richtiger wäre, ohne Blutvergießen das nötige
Land zu erwerben. Als dies bejaht wurde, war es leicht, die
Enteignung der deutschen Junker, der ostelbischen und süd
deutschen Großgrundbesitzer vorzuschlagen, auf deren Gütern
Hunderttausende von Bauern und Landarbeitern genossen
schaftlich wirtschaften könnten. Die letzten Zweifel wurden
beseitigt durch das Versprechen, daß die Grafen und Barone
in aller Freundschaft pensioniert werden sollten, und daß