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und ich hoffe, die Versöhnung mit unsern Nachbarn zu er
leben. —
Am Pfingstmontag war ich bei meinen Eltern. Mein Vater
hatte Geburtstag, und ich wurde etwas neidisch auf seinen
Abendfrieden, während ich noch soviel wildes Erleben vor
mir habe. —
Ich erhielt heute eine Einladung meiner amerikanischen
Parteigenossen, zu einer Agitationsfahrt in die Vereinigten
Staaten zu kommen. Von Anfang September bis Mitte No
vember! Vielleicht nehme ich an. Schmerzlich wäre nur, daß.
ich dann dieses Jahr auf meine Tiroler Berge verzichten
müßte
An Hedwig Wachenheim
Mannheim, 4. Juni 1914
Liebe Hedwig!
Basel war sehr schön und erfolgreich. Ich kam, nach
Verabredung mit Conrad Haußmann, schon am Freitag mittag
an, und wir holten um 5 Uhr die Franzosen ab. Ich kannte'
schon sämtliche Teilnehmer von Bern her. Außer den Ab
geordneten war ein Rudel von Zeitungsleuten gekommen,
darunter der arme Rouanet, der durchgefallene Abgeordnete
von Montmartre. Wir wohnten wunderschön im Dreikönig-
Hotel, mit fließendem Wasser, zwar nicht in den Zimmern,
aber vor den Fenstern unmittelbar am Rhein. Mein Vorschlag
(München) wurde glatt angenommen, aber von den Franzosen
ergänzt durch die Idee, gleichzeitig auch eine Konferenz in
einer französischen Stadt einzuberufen. Ich glaube, es wird
November werden, bis die beiden Demonstrationen stattfinden.
Basel ist eine der schönsten Städte, die ich kenne, — und fast
kinofrei.
Am Samstag Abend fuhr ich noch mit Scheidemann nach
Freiburg und machte ihn dort mit Parteigenossen bekannt,
die ihn auf einer Feldbergtour begleiten wollten. Sonntag
früh reiste ich dann heim, — ich traf dort auch meinen
Bruder Max aus Straßburg. Die Eltern waren beide wohl.
Aber ich hörte von Verwandten, daß der Vater ein paar Tage
krank gewesen sei, und glaubte dann zu bemerken, daß er
nicht die alte Frische hatte. Aber hoffentlich täusche ich
mich.