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Was mildtätige Federn gelegentlich für uns schrieben,
konnte uns über diese Not nicht hinweghelfen, und wir be
klagten oft, daß wir so vielen lernfähigen und -willigen
jungen Leuten nicht das Beste bieten konnten, wie sie es
verdienten. Da kam das Reichsvereinsgesetz. Es brachte die
politische Entrechtung der Jugendlichen, die „freisinnigen“
Spießbürger rächten sich dafür, daß der beängstigend frische
Morgenruf der „Jungen“ ihren Schlummer störte. Aber so
brutal der Gewaltakt war, so erfreulich waren seine Folgen.,
Die reaktionären Schlafmützen in ihrer Angst vor der höhen-
wärts drängenden Jugend erwiesen sich als ein „Teil von
jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute,
schafft“. Die Erbitterung unserer Feinde offenbarte jedem,
der sehen wollte, wie groß die Bedeutung der Jugend
bewegung ist. Und Partei wie Gewerkschaften anerkannten
jetzt ihre Pflicht, die Erziehung des Nachwuchses nicht dem
Zufall zu überlassen, sondern selbst zu leiten. Dadurch ist
ungeahnt schnell verwirklicht worden, was wir so lange ge
wünscht und erhofft hatten. Der erste Abschnitt der Jugend
bewegung, gekennzeichnet durch die Selbsthilfe, ist zu Ende.
Von jetzt ab ist die Lösung der Jugendfrage Sache der Ge-
samtarbeiterschaft geworden. Andere Zeiten, andere Lieder!
Die „Junge Garde“ hat gehalten, was sie versprochen hat,
aber die neuen Verhältnisse verlangten zwingend auch neue,
bessere Kampfmittel: eine einheitliche, größere Jugendzeitung
war vor allem erforderlich. Als wir deshalb im Dezember
1908 die letzte Nummer der „Jungen Garde“ ins Land gehen
ließen, waren wir nicht erfüllt von wehmütiger Abschieds
stimmung, sondern von stolzer Siegeszuversicht. Wir wußten,
daß die „Arbeiterjugend“ den Kampf fortsetzen wird, den
die „Junge Garde“ begonnen hat. Wir heißen das neue Blatt
herzlich willkommen. Mögen sich alle Wünsche und Hoff
nungen erfüllen, mit denen sein Erscheinen begrüßt wird.
Glück auf den Weg!
Staatsbürgerliche Erziehung der Jugend
Auf dem Leipziger Parteitag
13. September 1909
Die Diskussion über die „Arbeiter-Jugend“ hat mich
sehr angeheimelt; ganz ähnliche Worte sind immer gefallen,
wenn früher über das Schicksal der „Jungen Garde“ beraten
worden ist. Eine ganze Menge Ratschläge und ganz wenig