Full text: Lotte Hagedorn: ein Roman aus Alt-Berlin

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blanken Zylinder trugen. Sie brauchte fa wahrhaftig nur die 
Nase zum Fenster hinauszustrecken, und immer fuhr ein von 
schwarzen Trakehnern gezogener karmoisinroter Hofwagen vor 
über oder des Prinzen Karl Equipage, auf deren Bock der von 
allen Küchendragonern geliebte Mohr thronte. Und nun gar 
zu Neujahr und am 22. März die hohen Galakutschen mit den 
Kutschern und Lakaien, die, weiß cS Gott, am hellen lichten 
Tage Perücken trugen. Und an des Königs Geburtstag brann 
ten sogar, ganz wie bei all den benachbarten GesandschaftS- 
palais, die beiden Laternen, die rechts und links die zu ihrer 
Haustüre führende Steintreppe flankierten. 
Und war es vielleicht kein Vergnügen, von den rückwärts 
gelegenen Zimmern, die eine köstliche Aussicht in all die alten 
Parks der prinzlichen Palais boten, in ihren roten Jacken alle 
die hübschen Stallknechte zu sehen, die die Hofwagen abwuschen 
und die Pferde striegelten? Und war es vielleicht keine Augen 
weide, den Adjutanten des Prinzen Georg, den bildschönen Grafen 
Pcrponcher, in seiner Küraffieruniform bewundern zu dürfen? 
Und einmal hatte sie sogar den König und die Königin mit 
den Prinzen im Park spazierengehen gesehen. 
Aber was wollte all di« Herrlichkeit sagen gegen den Genuß, 
den ihr die schnurgerade Behrenstraße täglich bot. Mit dem 
Glockenschlage Zwölf sah sie dann aus der Mauerstraße eine 
schlanke, zierliche Gestalt in die Behrenstraße einbiegen. Und 
mit jedem Schritt, mit dem sich die Lotte dem Hause in der 
Wilhelmstraße näherte, schlug Frau Schlegels mütterliches 
Herz höher vor überströmender Seligkeit über dieses so heiß 
geliebte Kind. Auch heute, wie alle Sonn- und Feiertage, er 
wartete sie ihr« Tochter mit Mann und Kind und der alten 
Kinderfrau Pine. Aber sie mußte sich, da es gerade erst Zwölf 
geschlagen hatte und da erst um Drei gegessen wurde, noch volle 
drei Stunden gedulden. Ja aber, was war denn das? Da kam 
die Lotte ja schon! In einem weißen volantreichen, ein bißche»
	        
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