Full text: Lotte Hagedorn: ein Roman aus Alt-Berlin

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vielleicht schon vernarbt . . . Nur nicht fragen . . . nur nie 
daran rühren! . . . 
Ein heftiges Klingeln draußen an der Flurglocke schreckte 
Frau Schlegel auö ihren Träumereien. Ja, wollte denn diese 
an einer langen Mcssingstange baumelnde Glocke gar nicht auf 
hören, zu trillern und zu kluckcrn? Da «nutzte ja wahrhaftig 
einer an der «vcißen Porzellanfaust gerissen haben, alö ob er 
gar nicht schnell genug Einlaß finden könnte. So darf allen- 
falls ein Lotteriekollekteur klingeln, der mit der Nachricht vom 
Großen Los ungeduldig hereinplatzt, aber sonst doch kein Mensch 
auf der weiten Welt. 
Emilie SchwicbuS, das leichtfüßige Kind aus der Ucker 
mark, öffnete die Tür zur guten Stube mit Energie, Verve 
und ungezügelter Jugcndkraft. Es war wahrhaftig ganz un 
begreiflich, daß sie nicht die Klinke mitsaint der ganzen Türe, 
mit Rahmen und Riegeln in den rosigen Fingern behalten 
hatte. 
„Madamin, is einer draußen!" 
„Wer?" 
„Ick kenn' ihm nich." 
„Hast du ihn denn nicht nach seinem Rainen gefragt?" 
„Ja, jesagt hat «r'n schon . . ." 
„Na, also?" 
„Aber ick hab'n wieder versessen..." 
Dann stand Emilchen eine Weile da, während deren sie, 
auf den Teppich starrend, sichtbar eine schwere Gedankenarbeit 
verrichtete, und sagte endlich: 
„Jetzt hab' ick's wieder. .Jieseberecht' oder so wat hat er 
jesagt." 
„W e r?" und Frau Schlegels Stimme zitterte. 
„Hermann Adolf Wilhelm Giefebrecht," scholl eine heitere 
wohlklingende Stimme durch die geöffnete Tür vom Treppen 
flur herüber.
	        
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