Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

—- io? 
pisten gelaufen ist, an manchen Orten getroffen haben, vor 
züglich da wir es noch dazu aus den ältesten Scribenten 
. mit Zuverlässigkeit wissen, daß sich die Ketzer der ersten 
Jahrhunderte alle Mühe gaben, die heiligen Bücher zu ver 
fälschen? und fo lange diese Vermuthung Statt findet, 
können wir denselben nicht trauen. 
Nun! Wer zieht uns auö diesem Zweifel?— Gewiß 
die Bibel nicht. Sie sagt eö nirgend, und wenn sie es 
auch sagte: würde ihr eigenes Zeugniß wieder verdächtig 
seyn; weil sich eben da eine Verfälschung hatte ereignen 
können. 
Wir haben uns in das Feld der unmöglichen Dinge so 
tief hineingelassen, daß wir keinen AuSgang finden. Da 
liegt uns schon wieder eine neue Unmöglichkeit in dem Wege. 
Der wahre Sinn des göttlichen Textes läßt sich an sehr 
vielen Orten aus der Bibel allein nicht bestimmen, und 
was nützt ohne diesen alles Uebrige? Sollten wir auch 
unmittelbar aus der Hand Gottes die Schrift empfangen, 
wozu würde sie uns dienen, wenn wir sie nicht verständen? 
O! heißt es — dazu braucht man nur Augen zu haben. 
Es ist ja alles so klar, so deutlich, daß man es nur lesen 
darf. 
So haben dann bisher so viele gelehrten Köpfe keine 
klugen gehabt? Locke selbst, ein gelehrter, und in dein 
Punkte gewiß nicht verdächtiger Mann, hält *) die Erklä 
rung dcö Schrifttextes für eine Sache, die auch den größ 
ten Meistern große Schwierigkeit verursacht, und beruft 
sich deshalben auf die so häufigen darüber verfaßten Com- 
mentare, wie aus den handgreiflichsten Beweis. Fürwahr, 
wenn alles so klar ist, wozu so viele Commentare? Und 
sieht man es den Commentaren nicht an, daß cs sie manch 
mal keine geringe Mühe gekostet hat einen verständlichen 
z lind wahrscheinlichen Sinn herauszubringen? Sie gestehen 
es selbst, daß sie es nur vermittelst einer fortgesetzten An 
strengung der Seelenkräfte, einer genauen Sammlung der 
*) Essai sur l’Entcud, 1, z, eh, 9. §. LZ.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.