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pisten gelaufen ist, an manchen Orten getroffen haben, vor
züglich da wir es noch dazu aus den ältesten Scribenten
. mit Zuverlässigkeit wissen, daß sich die Ketzer der ersten
Jahrhunderte alle Mühe gaben, die heiligen Bücher zu ver
fälschen? und fo lange diese Vermuthung Statt findet,
können wir denselben nicht trauen.
Nun! Wer zieht uns auö diesem Zweifel?— Gewiß
die Bibel nicht. Sie sagt eö nirgend, und wenn sie es
auch sagte: würde ihr eigenes Zeugniß wieder verdächtig
seyn; weil sich eben da eine Verfälschung hatte ereignen
können.
Wir haben uns in das Feld der unmöglichen Dinge so
tief hineingelassen, daß wir keinen AuSgang finden. Da
liegt uns schon wieder eine neue Unmöglichkeit in dem Wege.
Der wahre Sinn des göttlichen Textes läßt sich an sehr
vielen Orten aus der Bibel allein nicht bestimmen, und
was nützt ohne diesen alles Uebrige? Sollten wir auch
unmittelbar aus der Hand Gottes die Schrift empfangen,
wozu würde sie uns dienen, wenn wir sie nicht verständen?
O! heißt es — dazu braucht man nur Augen zu haben.
Es ist ja alles so klar, so deutlich, daß man es nur lesen
darf.
So haben dann bisher so viele gelehrten Köpfe keine
klugen gehabt? Locke selbst, ein gelehrter, und in dein
Punkte gewiß nicht verdächtiger Mann, hält *) die Erklä
rung dcö Schrifttextes für eine Sache, die auch den größ
ten Meistern große Schwierigkeit verursacht, und beruft
sich deshalben auf die so häufigen darüber verfaßten Com-
mentare, wie aus den handgreiflichsten Beweis. Fürwahr,
wenn alles so klar ist, wozu so viele Commentare? Und
sieht man es den Commentaren nicht an, daß cs sie manch
mal keine geringe Mühe gekostet hat einen verständlichen
z lind wahrscheinlichen Sinn herauszubringen? Sie gestehen
es selbst, daß sie es nur vermittelst einer fortgesetzten An
strengung der Seelenkräfte, einer genauen Sammlung der
*) Essai sur l’Entcud, 1, z, eh, 9. §. LZ.