Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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Und was werden diese uneinigen Herren zu ihrer Ent 
schuldigung vorbringen, da sie selbst ihre eigenen Meynunr 
, gen so oft abandern? Eine wunderliche, aber von der wie- 
' derhohlten Erfahrung bewahrte Sache! Eben die, welche 
die durchgängige Klarheit der Bibel mit der größten Hitze 
vertheidigen, verstehen heute manche Stellen anders, als 
sie dieselben gestern verstanden haben. Woher die Unbe- 
! siandigkeil? Sehen sie bey gleich hellem Sonnenscheine nicht 
z immer gleich? Oder sollen wir es einer Dummheit, oder 
einer gewissen Wuth zuschreiben, der erkannten Wahrheit 
zu widersprechen? Dieß wäre sehr unartig, und wir wollen 
uns ko erwas nicht nachsagen lassen. Ww schließen viel 
mehr aus demAeußerlichen auf das Innerliche, vom Werke 
auf dre Gesinnungen, und halten fest dafür, daß sie in der- 
glelchen Fallen gegen ihr eigenes Gefühl reden, und die 
Dunkelheit der göttlichen Schrift, so lebhaft als wir, em 
pfinden. 
Es ist nicht anders. Man lese nur eine oder die an 
dere Seite, und versuche überall den richtigsten Sinn zu 
bestimmen. Es stoßen Schwierigkeiten auf, welche man 
ohne fremde Beyhülfe nicht übersteigen kann. Schwierig 
keiten in Ansehung der Gegenstände, die behandelt, und 
S hwierigkeiten in Ansehung der Weise , womit sie behan 
delt werden. 
Die Gegenstände sind entweder Erzählungen der vergan 
genen, oder Vorhersagungen der künftigen Dinge; Geheim- 
niss des Glaubens oder Grundsätze der Sittcnlehrc. Wenn 
nun schon die ersten und letzten großtentheils klar scheinen, 
so sind doch di- zweyten und dritten desto dunkler, weil sie 
vermöge ihrer innerlichen Beschaffenheit, entweder außer den 
Grenzen unseres Gesichtskreises, oder über die Activitatö- 
sphare unseres Verstandes liegen. Ja die Geheimnisse sind 
I in eine so ehrwürdige Dunkelheit eingehüllt, daß cs Ver 
messenheit ist, dahinter sehen zu wollen, und der Vorwitz 
in Gefahr steht mit Blindheit geschlagen zu werden. 
Die Weise, womit die Gegenstände behandelt werden, 
vergrößert noch die Dunkelheit, und verdeckt vor unsern 
Augen auch manchmal das Klare.
	        
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