Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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Die göttlichen ?lbsichten sind zwar meisientheils un§ 
Sterblichen ein Geheimniß, unterdessen laßt sich doch manch- 
i mal eine oder die andere nicht sehr unwahrscheinlich bestim 
men. Wie, wenn die Schrift dunkel wäre, um in der 
christlichen Kirche die festgesetzte Ordnung der Lehrenden und 
Lernenden, die Unterwürfigkeit der Schüler gegen den Mei 
ster, und die Abhängigkeit der Laien von den Priestern zu 
handhaben? Gewiß einerseits würde diese Ordnung sehr 
zerrüttet werden, wen jedermann vermögend wäre, die Bi 
bel vollkommen zu verstehen und auszulegen, und andrer 
seits muß sie bis zum Lude der Welt in der Kirche festste 
hen. Denn Gort — sagt Paulus — hat Hirten und 
Lehrer bestellt, nicht nur für die ersten Zeiten, sondern bis 
zur gänzlichen Vollendung des geistlichen Kirchengebäudes, 
welche erst bey der Ankunft des Richters geschehen wird *). 
daher warnt er die Christen sorgfältig, daß sich keiner itx 
des andern Verrichtungen eindringe, und sich jener des Lehr 
amts nicht anmaße, als der vom göttlichen Geiste zu lehren 
bestimmt ist **). Es sollen zwar alle weise seyn, aber ein 
jeder nach dem Maaße, das ihm der Herr befchieden hat ***)- 
Wie, wenn die Schrift dunkel wäre, um ihr ehrwürdiges 
göttliches Ansehen, bey den Ungläubigen sowohl, als bey 
den Gläubigen desto sicherer zu behaupten? Das leichte^ 
und was geringe Mühe kostet, hat gemeiniglich das Un 
glück, wenig geachtet zu werden; hingegen schätzt man das 
jenige, wozu eine Anstrengung der Seelenkräfte crfodert 
wird, allezeit höher. Die dunkeln Geheimnisse des Glau 
bens dunkel vorgetragen, erwecken in uns ein lebhaftes Ge 
fühl ihrer Erhabenheit und unsers Unvermögens, wodurch 
der Scolze demüthig, der Demüthige ehrerbietig, der Ehrerr 
*) Er hat - - - etliche zu Hirten und Lehrern gesetzt - - - zur Erbau 
ung des Leibes Christi, bis wir alle einander in der Einigkeit des Glau 
bens und der Erkenntniß des Sohnes Gottes begegnen. Eph s- + 
II — l;. 
**) Sind vielleicht alle Lehrer? - - - Haben vielleicht alle die Gabe der 
Auslegung? i. Kor. 12, 29. 30. 
***) Ich sage einem jeden: - - - daß er nicht weiser sey, als es ihm ge 
bührt, sondern daß er mit Mäßigkeit weise sey - - - nach dem Maaße 
, des Glaubens, welches Gott einem jeden ausgetheilt hat. Ao»l. ?• 
Philo,, der Religion 6. Band. 8
	        
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