Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

Von dem 
ungeschriebenen Worte Gottes. 
<Oeder Dinte noch Feder, noch Papier, noch so etwas 
das der Dinte, der Feder und dem Papier gleich kömmt, 
aber die gränzenlose Vollkommenheiten deö unendlichen Red 
ners geben dem Worte Gottes das Ansehen. Sey eö ge 
schrieben oder nicht geschrieben, ist es Gottes Wort, so ver 
dient es von allen vernünftigen Geschöpfen den schnellsten, 
den blindesten, den festesten Beyfall, eben so, wie es dem 
Befehle des Landesfürsten muß gehorcht seyn, werde er 
schriftlich oder mündlich kund gemacht. 
Zwar in den menschlichen Geschäften gilt meistcntheilS 
die Schrift mehr als das mündliche Wort; aber dieses ist 
eine willkührliche Einrichtung, deehalben gemacht, weil man 
im Schreiben gemeiniglich mehr Behutsamkeit gebraucht als 
im Rede», und weil die Bosheit oder Dummheit der Men 
schen , die Reden leichter als die Schriften verkehrt. Das 
Erste findet da keine Statt, und wider die schlimmen Fol 
gen des Zweyten hat der Allweise schon Vorsehung gethan. 
Gibt es also ein ungeschriebenes Wort Gottes, so ist dem 
selben, wie dem geschriebenen zn glauben, so ist alles was 
es lehrt, christliche GlaubenSwahrhcit, und was ihm wi 
derspricht , ketzerischer Irrthum. Die Sache ist ziem ich 
klar. Nur kömmt es darauf an, ob die Bedingung be 
stehe, und sie besteht, wenn die Schrift nicht alles in sich 
enthalt, was ein Christ zu wissen verpflichtet ist.— 
Wie alle göttlichen Werke, sagt man, vollkommen find, 
so ist eö auch die Bibel. — Wer laugnet es? Aber den 
Schluß von der Vollkommenheit des Werkes, auf die Voll-
	        
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