Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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die Kindcrtaufe nicht sattsam erwiesen, wenn es nicht 
zuvor bis zur Evidenz dargethan wird, daß unter der 
Wiedergeburt aus dem Wasser und dem heiligen Geiste, 
nichts anders, alö die in der Kirche gebräuchliche Wasser- 
taufe zu verstehen ist. 
Wir wollen die Herren nicht weiter verfolgen. Sie 
mögen schon abnehmen, daß der eigentliche Sinn dieser und 
anderer dergleichen, ja in der That, aller übrigen Schrift 
stellen, eher aus den mündlichen Ueberlieferungen der Apo 
stel muß bestimmt werden, als man daraus einen genüg 
samen Beweis für irgend eine Glaubenswahrheit ziehen 
könne. 
Was ich da sage, soll dem, welcher daö vorhergehende 
Stück auflnerkfam gelesen hat, weder neu, noch ungewiß 
vorkommen. Aber der Saß ist so wichtig, und hier am 
rechten Orte so nothwendig, daß er wohl eine abermalige 
Erläuterung verdient. 
Nein! ohne die mündlichen Ueberlieferungen gibt cs kein 
Mittel, den wahren und eigenthümlichen Sinn des Schrift- 
textes mit zuverlaßiger Gewißheit zu bestimmen. 
Soll cs eine unmittelbare Eingebung Gottes seyn? — 
Man weiß schon, was von Montanen, Manesen, 
Maho nieten, und andern dergleichen Schwärmern zu 
halten sey. Wer sich für einen Gesandten des höchsten 
Himmelsherrn ausgiebt, der zeige seine Vollmacht auf, 
oder sehe sich nur geschwind in die Classe der narrischen 
Träumer, oder der gotteslästerlichen Betrüger selbst herab. 
Der Leser mag die Güte haben, die Classe zu benennen, 
worin die Erfinder oder Vertheidiger eines gewissen, wie 
heißt cs? — eines Privatgeistes gehören, jenes Privat 
geistes, der einem jeden einzelnen Christen — dem Layen 
sowohl als dem Priester, dem Unwissenden sowohl als dem 
Gelehrten, der Küchenmagd sowohl alö dem Doktor der 
Theologie — sobald er sich die Mühe gibt, die Bibel zu 
lesen — ob auch in einer fremden Sprache? das weiß ich 
nicht — sogleich den wahren Sinn aller Stellen aufdeckt, 
auch der verwickeltsten, worüber die frömmsten und aufge-
	        
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