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Weit gefehlt! Paulus, der gar wohl weiß, den
Schwachheiten seiner Neophyten nachzugeben, und allen al
les zu werden, will die erhabner» Geheimnisse der Religion
nicht den Neulingen und noch Schwachen im Glauben,
sondern nur denen offenbaren, die darin schon fester gegrün
det, und auf dem Wege der christlichen Vollkommenheit
weiter fortgeschritten waren. Dieses ist ihm der geistliche
Mensch, der alles beurtheilt, oder der von dem Lichte des
Glaubens schon erleuchtet, fähig ist, die höher,, und ver-
ehrungSwürdigern Wahrheiten zu fassen. Der Zusammen
hang des Cont xceö m diesem Kapitel, und der Anfang des
nächstfolgenden bewahren die Auslegung.
Johannes ermahnt die Neubekehrten in der wahren
Lehre, die sie von den Aposteln empfangen, und vernutteist
der innerlichen Salbung der göttlichen Gnade angenoinmen,
und in Uebung gebracht hatten, standhaft zu bleiben, und
den Jrrl.hr n der Afterapostel kein Gehör zu geben. Es
ist nicht nöthig saget er — daß euch jemand aus öcne»,
die allenthalben Irrnmer ausstreuen, etwas lehre; ihr
habt schon alles, was euch zu wissen und zu thun noth
wendig ist, von den Aposteln des Herrn gelernt, und mit
Beyhülfe der göttlichen Gnade woh begriffen, hallet euch
dabey. Dieser Sinn der Apostolischen Worte leuchtet aus
dem Vorhergehen: en und Nachfolgenden deutlich ein. „Schon
jetzt sind viele Antichristen geworden. Ich habe euch nicht
als denen geschrieben, welche die Wahrheit nicht wissen,
sondern als jenen, welche sie wissen. Was ihr vom An
fange gehört habt, das bleibe in euch. Dieses habe ich
von denen geschrieben, die euch verführen. Wie euch (die
Salbung) gelehrt har, bleibt dabey *)."
Doch warum lassen wir uns in solche Weitlauftigkeiten
ein? Ist es nicht ein widersinniges Unternehmen, etwas
aus der Schrift ziehen zu wollen, was vor allem crfodert
wird, die Schrift zu verstehen? Dieftö ist der gegenwärtige
Fall. Der Privatgeist foll seinen Anhängern den wahren
Sinn der Bibel aufklaren; und sie wollen ihn aus der Bi-
2«l). ig. Li. ,4. 27. 27. 2*.