Von dem
Schiedsrichter der Religionszweifel.
^»/ie verunglückten Adamskinder sind entweder das nicht,
was sie wirklich sind, oder es müssen unter ihnen von Zeit
zu Zeit Religionszweifel entstehen. So groß ist das Ber-
derbniß aller Leibes-und Seelenfähigkeiten, daß sie von ih
rem Stammvater ererbt haben, und das immer auf die
mannichfaltigsten Arten, in die Wirkungen ihrer Denkungö-
kraste einstießt. Der allgemeine Sah gilt auch im Chri
stenthums, und man darf nur auf die stäte Erfahrung se
hen , um sich davon zu überzeugen.
Eö wäre eine sehr unnothwendige Weitlauftigkeit, wenn
wir da alle Glaubensstreitigkeiten genau erzählten, die bis
her in der christlichen Kirche, feit ihrer Geburt entstanden
sind. Nur möchten wir wissen, ob sie ewig fortwähren,
ewig unentschieden bleiben sollen, diese Streitigkeiten? Ist
eö also, o ängstigende Ungewißheit! du bist unser trauri
ges Erbe!
Wie viele Säße, wie viele Handlungen und Gebrauche
gibt es alsdann, wovon wir zweifeln müssen, ob es Glau
benswahrheiten oder Irrthümer, ob es Gotteslästerungen
oder Sakramente, ob es Heilömittel oder Ursachen des Un
terganges seyen! Und ist eö einem aufrichtigen frommen und
für die künftige Ewigkeit, wie sich's gebührt, besorgten
Herzen eine geringe Quaal, so immer im Zweifel über die
wichtigsten Punkte zu leben, oft keine Zuverläßigkeit von
dem zu haben, was zu glauben oder nicht zu glauben, was
anzunehinen oder zu verwerfen, was zu thun oder zu lassen
sey, um die Seele vor dem ewigen Unheile in Sicherheit