Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

Von dem 
Schiedsrichter der Religionszweifel. 
^»/ie verunglückten Adamskinder sind entweder das nicht, 
was sie wirklich sind, oder es müssen unter ihnen von Zeit 
zu Zeit Religionszweifel entstehen. So groß ist das Ber- 
derbniß aller Leibes-und Seelenfähigkeiten, daß sie von ih 
rem Stammvater ererbt haben, und das immer auf die 
mannichfaltigsten Arten, in die Wirkungen ihrer Denkungö- 
kraste einstießt. Der allgemeine Sah gilt auch im Chri 
stenthums, und man darf nur auf die stäte Erfahrung se 
hen , um sich davon zu überzeugen. 
Eö wäre eine sehr unnothwendige Weitlauftigkeit, wenn 
wir da alle Glaubensstreitigkeiten genau erzählten, die bis 
her in der christlichen Kirche, feit ihrer Geburt entstanden 
sind. Nur möchten wir wissen, ob sie ewig fortwähren, 
ewig unentschieden bleiben sollen, diese Streitigkeiten? Ist 
eö also, o ängstigende Ungewißheit! du bist unser trauri 
ges Erbe! 
Wie viele Säße, wie viele Handlungen und Gebrauche 
gibt es alsdann, wovon wir zweifeln müssen, ob es Glau 
benswahrheiten oder Irrthümer, ob es Gotteslästerungen 
oder Sakramente, ob es Heilömittel oder Ursachen des Un 
terganges seyen! Und ist eö einem aufrichtigen frommen und 
für die künftige Ewigkeit, wie sich's gebührt, besorgten 
Herzen eine geringe Quaal, so immer im Zweifel über die 
wichtigsten Punkte zu leben, oft keine Zuverläßigkeit von 
dem zu haben, was zu glauben oder nicht zu glauben, was 
anzunehinen oder zu verwerfen, was zu thun oder zu lassen 
sey, um die Seele vor dem ewigen Unheile in Sicherheit
	        
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