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da erkenne ich die Stimme der Wahrheit, die Stimme
der unbefleckten Braut Jesu Christi. Warum? —
Weil nur jene die wahre Kirche seyn kann, welche
einen Weg zum Heile anzeigt, den alle Gattungen der
Leute betreten können, vorausgesetzt, daß die beste Vorse
hung Niemanden — den Dümmsten so wenig, alö den
Aufgeklärtesten — die nothwendigen Heilsmittel versagt,
uns wer getrauet sich diese Voraussetzung in Zweifel zu
ziehen?
Lies, urtheile, entscheide, ist freylich bald- gesagt. Aber
der Bauer im Dorfe, der Handwerksmann in der Stadt,
hundert andre, aus Mangel der natürlichen Talente oder
der Erziehung, dumme; wieder tausend andre mit Fami
liensorgen, Hausgeschasten und Amtsverrichtungen stets
überladene Leute, wie sollen sie lesen, urtheilen, entschei
den, wie im Stande seyn, langwierige und mühsame Un
tersuchungen anzustellen, den Originaltext, die mannichfal-
tigen Ausgaben der heiligen Bücher, die verschiedenen Ue-
berseßungen, den eigentlichen Sinn der Schriftstellen zu
beurtheilen?
Dort in meines Nachbars Haufe liegt schon seit eini
gen Jahren ein armer an allen Gliedern gelahmter Tropf.
Jetzt möchte er sich retten, denn es brennt schon wirklich
die nächste S.ube. Er ruft, er schreyet, er bittet um
Hülfe. Man sa;t ihm: mache dich auf, durchschlag dich
eilends durch dieses Getümmel der Leute, und lauf über
Hals, über Kopf davon. Ein schöner Trost.' eine vor-
trefliche Hülfe! Aber nun kömmt jemand. Sey getrost,
spricht er zu dem Verzweifelnden, verlaß dich auf mich.
Auf meinen Armen werde ich dich aus der Gefahr hinweg
tragen. Wie wird er aufgerichtet, der Kleinmüthige! Au
genblicklich, ohne viel nachzudenken, übergibt er sich ganz
dem Manne, der ihm eine seiner Gebrechlichkeit so ange
messene Hülfe anbietet, und verwirft mit Unwillen den Rath
derjenigen, die so unvernünftig das begehren, was er of
fenbar nicht vermag zu thun.
Soll ich die Anwendung machen, od'r nimmts der Le
ser über sich? Mir dauchtö, cs soll nicht schwer fallen»