Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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Weisheit ein, welche wußte und vermochte, auch wider dm 
gewöhnlichen Lauf der Dinge, die größte Leichrigkeit mit 
der erhabensten Vollkommenheit zu vereinbaren. Der gött 
liche Stifter der Religion, gießt den Geist der Liebe in 
unsre Herzen, und gibt uns so viele, so mannichfalnge 
und kräftige, innerliche und äußerliche, natürliche und über 
natürliche Hülfsmittel an die Hand, daß er in Wahrheit 
berechtigt ist, sein Gesetz ein süßes Joch, und eine leichte 
Bürde zu nennen. *) Daher ist auch die Menge der Men 
schen unvergleichlich größer, die jetzt dem Evangelium an 
hangen, und nach der Vollkommenheit desselben streben, als 
vormals die Zahl derjenigen war, welche sich ernstlich be 
flissen, den Pflichten der Natur, oder den Vorschriften 
Moses nachzuleben. 
Der zweyte Theil der vermessenen Klage wider die Vor 
sehung, betrifft die Unbekanntheit des Christenthums. Es 
soll ein Fußsteig seyn, welchen der größte Theil der Men 
schen nicht kennen, und dennoch zugleich der einzige der 
zum Heile führt. Woraus dann nothwendig folge, daß 
diesen Unglücklichen kein Mittel übrig bleibt, sich vom ewi 
gen Untergange zu retten. 
Wers ihnen muß hinterbracht haben, den Herren, daß 
sogar viele vom Christenthume nichts wissen! Paulus 
wollte es schon zu seiner Zeit nicht zugeben, daß nicht alle 
Erdenbewohner die Stimme der Prediger deö Evangeliums 
sollten vernommen haben, indem sie doch bereits durch die 
ganze Welt erschollen wäre **). 
Doch wir wollen uns in keine Weitlauftigkeit einlas 
sen. Sey's, daß ganze Nationen vom Christenthume gar 
nichts wissen. Die Frage ist: ob sich diese Unwissenheit, 
nicht ans ein vorhergehendes Verschulden gründe? GibtS 
nicht Völker, denen die ersten und wichtigsten Grundsätze 
des Naturrechts unbekannt sind? Ist deswegen ihre Un 
wissenheit vor dem höchsten Richter unsträflich, die Bco- 
*) Matth, ii. 30.: 
**) Icd sagt aber: haben sie es nicht gehört? und zwar ihr Schab ist in 
alle kündet, und ihre Worte sind bis auf die Grenzen der Welt aus 
gegangen. Röi». 10. 18.
	        
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