Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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Dergleichen Entschuldigungen mögen vor dem Richter^ 
stuhle des Herrn Rousseau rechtfertigen, der höchste un- 
unerbittliche Richter, vor welchem wir alle, Rousseuen 
und Voltairen, mit dem ganzen Schwarm ihrer An 
hänger nicht ausgenommen, einst erscheinen werden, wird 
sie gewiß nicht gutheißen. Er wird die vermessene Belei 
digung seiner unendlichen Wahrheit und Weisheit, empfind? 
sich rächen, und das wider die Ungläubigen — sie mögen 
eö aus willkührlichen Eigensinne, oder nach dem Beyspiele 
ihrer Ahnen seyn — schon langst gefällte Urtheil — „ Wer 
nicht glauben will, wird verdammt werden " — ohne 
Barmherzigkeit vollziehen lassem 
Wenn eine Religion schon deßhalb gut und seligmachend 
wäre, weil sie die Religion der Väter gewesen ist, so hatte 
sich kein Götzendiener je bekehren sollen, und die Abgötter 
wurden sehr vernunftmäßig gehandelt haben, da sie sich 
mit aller Gewalt den aufgehenden Christenthums entgegen 
setzten. Noch mehr: Die Griechen und Römer hätten von 
jenen gottesdienstlichen Ceremonien und Gebrauchen, welche 
die Natur und die Menschlichkeit äußerst beschimpften, 
durchaus nicht abgehen sollen, denn sie waren ein wesent 
licher Theil der Nationreligion, welche von ihren Vatern 
durch öffentliche Gesetze bestätigt worden. 
Der ehrliche Mann, welcher in seiner Religion mit 
guter Meynung lebt, wer ist er? Gibt es Ehrlichkeit, so 
lange man allen erkannten Naturpffichten nicht genugthut? 
Besteht die gute Meynung mit einem gegründeten Zweifel 
an der Wahrheit seiner Religion? 
Nein! man kann kein ehrlicher Mann seyn, wenn 
man die natürliche Pflicht vernachläßigt, die sicherste Re 
ligion zu wählen. Man kann es weder mit Gott, noch 
mit sich selbst, gut, ehrlich, und aufrichtig meynen, wenn 
man wider das Gewissen, welches aufsteigende Zweifel von 
Zeit zu Zeit beunruhigen, in der ererbten, oder auö irdi 
schen Absichten ergriffenen Religion, hartnäckig verharrt. 
Gesetzt, der JndifferentiSmus wäre nicht so unwahr 
scheinlich', alö er es wirklich ist, so ließe sich'S doch nicht
	        
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