Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

Schicksal voraus. Wir Kurzsichtigen, wir wissen nur, 
was ihm gnädigst beliebe hat, uns zu offenbaren, und von 
dieser Offenbarung unterrichtet, halten wir jetzt die Irren 
den, nicht für verdammt, sondern für Unglückliche, die 
den geraden Weg zur Verdammung wandeln, und wenn 
sie nicht vor dem letzten Hauche des Lebens zurückkehren — 
was wir sehnlich verlangen, von der Güte des Vaters der 
Erbarmnngen hoffen, und zu bewirken uns mit allen Kräf 
ten bemühen — ohne allen Zweifel werden verdammt werden. 
Nun ist die Frage: warum foll's uns unmöglich seyn, 
mit Leuten im Frieden zu leben, von denen wir nach den 
klaren Grundsätzen unsers Glaubens also denken, und ge 
gen die wir, nach dem sanftmüthigen G ifte des Evange 
liums, so gut gesinnt sind? W.r woll n ihn gewiß nicht 
stören, den geliebten Frieden, und verabscheuen von gan 
zem Herzen, waö immer dagegen von Jemanden unter nnS 
je ist gethan worden, oder noch sollte gethan werden. Fan 
gen sie die Störung von ihrer Seite an, so liegt die 
Schuld weder an uns, noch an unsrer Glaubenslehre, und 
wir werden es wissen, nach dem Beyspiele der Apostel, 
und der ersten Vater des Christenthums, mir Sanftmuth 
und Geduld zu ertragen. 
Diese Männer, die damals von dem evangelischen 
Grundsätze der Undu dsamkeit ganz eingenommen, von den 
Juden Heiden und Ketzern nicht anders dachten, als wir 
jetzt von den ungläubigen Philosophen, und irrenden Chri 
sten , betrugen sich dennoch mit ihnen ganz friedsam, und 
gewannen der Wahrheit, obwohl gehaßt und verfolgt, mit 
ihrer sanftmüthigen Geduld die Herzen vieler Tausenden. 
Ohne Zweifel liebten sie auch diejenigen, um deren 
Bekehrungen sie sich, so eifrig und unermüoet bewarben; 
und denen sie vo. ihrer Bekehrung ohne Unterlaß zuriefen: 
„ Der nicht glauben will, der wird verdammt werden. " 
Ab^r wer untersteht sich zu sagen: daß sie dabey Gott 
hasteten, der über die Ung äubigen einst das Urtheil spre 
chen wird? Wahrlich! Rousseau behauptet da den 
auffallendsten Widerspruch. Wenn man ohne Gott zu has 
sen, die nicht lieben, kann, welche in Ansehung der wesent
	        
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