Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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selbe Kirche unsichtbar. Da liegt der Widerspruch, da die 
unverdiente Entziehung des nothwendigsten Heilsmittels. 
Die Meinung also derjenigen Glaubensparthey, welche 
sich's einfallen laßt, eine unsichtbare Kirche Christi zu 
behaupten, ist so schimpflich für Gott, als schrecklich für 
die Menschen. Braucht cs mehr, um sie mit Recht unter 
die gewissesten Irrthümer zu verbannen? 
Doch wir wollen unö nicht übereilen. Die Kirche 
wurde, in Wahrheit, nicht für bloß geistige und körperlose 
Wesen, sondern für Geschöpfe aufgerichtet, die aus Leib 
und Seele bestehen. Menschen sollten in eine Gesellschaft 
zusammentreten, und unter einem Haupte einen sittlichen 
Körper ausmachen, der immer wachsen, und sich über dem 
Erdboden ausbreiten würde. Nun aber, wer weiß nicht, 
daß die menschlichen Gesellschaften, ohne äußerliche und 
sichtbare Zeichen, woraus nur ein Glied das andere zu er 
kennen vermag, weder anfangen noch fortdauern können? 
Die Sache ist so einleuchtend, daß es sehr ungereimt wäre, 
daran zu zweifeln. Man betrachte nur eine Stadt, ein 
Kriegsherr, ein Königreich. Sind die Bande nicht sicht 
bar, wodurch die Bürger, die Kriegsmänner, die Unter 
thanen in einer Gemeine zusammenhangen? 
Die Kirche ist ebenfalls ein Königreich, das Reich 
Jesu Christi auf dieser Welt. Zwar nicht von dieser 
Welt, nicht auf gleiche Art und mit gleichen Mitteln ge 
stiftet, nicht mit gleichen Gesehen regiert, nicht mit gleichen 
Waffen beschützt, nicht mit gleichen Absichten und Hoff 
nungen belebt, wie die übrigen Reiche der Erde gestiftet, 
regiert, geschützt, belebt werden. 
Aber dennoch ein wahres, ein wirkliches Reich, wo eS 
ein Oberhaupt, Obrigkeiten und Unterthanen, wo eS recht 
mäßige Macht zu befehlen und nothwendige Pflicht zu ge 
horchen, wo es Ordnung und Gesetze gibt. 
Dazu kömmt noch das strenge Gebot, sich öffentlich 
für einen Bürger dieses göttlichen Reiches zu bekennen, 
wodurch die Glieder der Kirche den Augen der ganzen 
Welt sichtbar werden. Neinnicht nur die Apostel und
	        
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