Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

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Will man nicht mit Vorsatz, ohne zureichenden Grund, 
von dem natürlichen Wortverstande abweichen, und sich 
Schwierigkeiten machen, wo keine sind, so muß man be 
kennen, daß in der gegenwärtigen Rede des Heilandes, dem 
Petrus ein ganz besonderes Vorrecht, die höchste Gewalt 
in der Kirche, die Christus zu stiften im Begriffe steht, 
versprochen wird. Alle andern Auslegungen sind gezwun 
gen, unbefugt, widerrechtlich, und den Regeln der gesun 
den Kritik entgegengesetzt. 
Zwar finden sich dabey verblümte Ausdrücke, aber sie 
sind so gewöhnlich, und allen Menschen so bekannt, daß sie 
gar keine Dunkelheit mit sich führen. 
Wer kennt die eigentliche Bestimmung des Grundsteines 
nicht? Stützt sich darauf nicht das ganze Gebäude? Ist 
er in demselben etwas anders, als das Haupt im mensch 
lichen Leibe, der Hausvater in der Familie, der Oberste 
in der Stadt, der König im Reiche? 
Und was bedeuten die Schlüssel? Wenn der Monarch 
durch eine seiner unterworfenen Städte zieht, bietet man 
ihm zum Zeichen der Unterthänigkeit die Schlüssel derselben 
dar. Und wenn I sa i a S die Verstoßung des hohen Prie 
sters Sobna, und die Erhebung des Eliakim zu der 
selben Würde vorhersagt, bedient er sich eben dieser alle 
gorischen Redensart.*) 
Endlich die so unumschränkte Macht zu binden und 
aufzulösen, schließt sie nicht offenbar eine oberrichterliche 
Gewalt in sich ein? 
Von der Seite also ist alles klar, alles deutlich und 
verständlich, und man hat nicht den mindesten Grund zu 
läugnen, daß da von der höchsten Kirchcngewalt gehandelt 
i wird. Vielleicht aber liegt die Schwierigkeit auf der Seite 
der Person, welcher das Versprechen gethan wird. 
„Selig bist du S imon, du Sohn des Jona — 
Und ich sage dir: du bist ein Fels, und auf die- 
*) Ich will ben Schlüssel jimt Hause Davids auf seine Schultern legen, 
danur er anstdue, und Niemand zuschließe; damit er zuschließe, und 
Niemand aufthue- 3sa. 22, as,
	        
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