73
1
Will man nicht mit Vorsatz, ohne zureichenden Grund,
von dem natürlichen Wortverstande abweichen, und sich
Schwierigkeiten machen, wo keine sind, so muß man be
kennen, daß in der gegenwärtigen Rede des Heilandes, dem
Petrus ein ganz besonderes Vorrecht, die höchste Gewalt
in der Kirche, die Christus zu stiften im Begriffe steht,
versprochen wird. Alle andern Auslegungen sind gezwun
gen, unbefugt, widerrechtlich, und den Regeln der gesun
den Kritik entgegengesetzt.
Zwar finden sich dabey verblümte Ausdrücke, aber sie
sind so gewöhnlich, und allen Menschen so bekannt, daß sie
gar keine Dunkelheit mit sich führen.
Wer kennt die eigentliche Bestimmung des Grundsteines
nicht? Stützt sich darauf nicht das ganze Gebäude? Ist
er in demselben etwas anders, als das Haupt im mensch
lichen Leibe, der Hausvater in der Familie, der Oberste
in der Stadt, der König im Reiche?
Und was bedeuten die Schlüssel? Wenn der Monarch
durch eine seiner unterworfenen Städte zieht, bietet man
ihm zum Zeichen der Unterthänigkeit die Schlüssel derselben
dar. Und wenn I sa i a S die Verstoßung des hohen Prie
sters Sobna, und die Erhebung des Eliakim zu der
selben Würde vorhersagt, bedient er sich eben dieser alle
gorischen Redensart.*)
Endlich die so unumschränkte Macht zu binden und
aufzulösen, schließt sie nicht offenbar eine oberrichterliche
Gewalt in sich ein?
Von der Seite also ist alles klar, alles deutlich und
verständlich, und man hat nicht den mindesten Grund zu
läugnen, daß da von der höchsten Kirchcngewalt gehandelt
i wird. Vielleicht aber liegt die Schwierigkeit auf der Seite
der Person, welcher das Versprechen gethan wird.
„Selig bist du S imon, du Sohn des Jona —
Und ich sage dir: du bist ein Fels, und auf die-
*) Ich will ben Schlüssel jimt Hause Davids auf seine Schultern legen,
danur er anstdue, und Niemand zuschließe; damit er zuschließe, und
Niemand aufthue- 3sa. 22, as,