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schon erwiesen worden, daß die Schlüssel des Himmelreichs
nichts gerinzers andeuten, und anderseits ist's un laug bar,
daß sie dem Petrus jetzt, vermöge des neuen Auftrags,
die Schafe Christi zu weiden, wirklich übergeben wer
den; nicht nur, weil die Verheißung des Erlösers einmal
mußte in Erfüllung gehen, und keine andre Stelle des
Evangeliums, wo es geschehen wäre, aufzubringen ist, son
dern auch, weil der gegenwärtige Ausdruck, obwohl aus
einem andern Fache der Verblümung, dennoch wieder den
vorigen Begriff erweckt.
Die Lämmer und Schafe weiden, was heißt eö? —
Das Hirtenamt verwalten; und wer weiß nicht, daß cs
in seinem Umfange mannichfaltige Verrichtungen enthalt,
wozu eine obrigkeitliche Gewalt erfodert wird? Daher ist
eS bey den weltlich n und geistlichen Schriftstellern sehr ge
wöhnlich, diese Allegorie auf die Beherrscher der Nationen
und auf ihre Regierungshandlungen anzuwenden. Schon
Homer heißt den König Agamemnon einen Hirten der
Völker,*) und Jsaias ruft dein Cyruö zu, „du bist
mein Hirt" **) da er ihm eben im Namen des Herrn ein
großes und mächtiges Reich verspricht. So auch, wo wir
in unserer Übersetzung lesen: „ Du sollst sie mit einer eiser
nen Ruthe beherrschen ***)'' kömmt im Grundtexte das
Wort Raah, Weiden vor. Im Gegentheil, wird das
hebräische M a sch a l, Regieren beym Propheten M i-
ch a a S, im griechischen beym Matthäus, mit Pimä n o,
Weiden ausgedrückt." Von dir wird der Führer aus
gehen, der mein Volk Israel (weide) regiere ****)". Und
eben dieses griechischen Wortes Pimäno, das mit einem
besondern Nachdrucke, das Hirtenamt mit der Gewalt vor
zustehen und zu regieren verbindet, *****) bedient sich der
Evangelist Johannes, da er uns diese Geschichte erzählt.
£> wie hatte erö uns klarer andeuten können, daß Petrus
*) Illi»d. 1. 2.
**) Jsaias 44, 2 .
***) Psalm 2, 9.
****) Matth 2. 6.
"***) Siehe geh. Offenb. 19, i;. im griech. Text.