Full text: Philosophie der Religion , 6 (06)

— §9 — 
Quelle versiegt, woraus ihr einzig und allein die' recht 
mäßige Hirtengewalt zufließt. 
Das Merkmal, wovon wir da handeln, leidet mannich- 
faltige Anw ndungen. 
Z. B. Aus allen christlichen Gemeinen kann nur die 
älteste apostolisch, und folglich auch nur die älteste die wahre 
Kirche seyn. 
Was immer für eine RcligionSpartey sich die Vorrechte 
der wahren Kirche zueignet, die soll zuvor überzeugend dar- 
thun, daß sie schon in den Apostelzeiten cxistirt hat. Bis 
dahin verdient sie weder Achtung, noch Gehör, noch fernere 
Untersuchung. 
Der Beweis wird schlechterdings unmöglich, wo der 
Urheber einer Versammlung der Gläubigen kein Apostel, 
oder kein apostolischer Mann, daß büßt: kein rechtmäßiger 
und beständiger Nachfolger derApestel gewesen ist. Nun! 
man weiß die Namen der Apostel; man weiß, welche 
Männer ihnen bis auf diese Stunde in einer ununter 
brochenen Ruhe nachgefolgt sind; man weiß den Stifter, 
den Ursprung, den Fortgang einer jeden christlichen Sekte. 
Man bed'ene sich also dieser Wissenschaft, und schließe 
daraus auf die Wahrheit oder Falschheit seiner Kirche. 
U. s. w. 
So ist dann die wahre Kirche einig, heilig, allgemein, 
apostolisch; eben so, wie es die versammelten Väter, in 
dem zweyten allgemeinen Kirchcnrathe zu Konstantino- 
pe l, gegen das Ende des vierten Jahrhunderts, mit dem 
Beystande des göttlichen Geistes entschieden haben. Und 
so ist die Frage gründlich beantwortet, welche aus so vie 
len und mannichfaltigen christlichen Kirchen, die heute 
existiren, die wahre ist? Die Gelehrten mögen unter sich 
zanken, wie sie wollen; zu jener, wo man diese vier Cha 
raktere antrifft, spricht man zuverläßig: Du bist es. Zu 
allen übrigen: Ihr seyd eS nicht. 
O! wer du immer diese Blätter, entweder für die lange 
Weile, oder anö Vorwitz, entweder ans Tadelsucht, oder 
aus Lernbegierde, oder ans andern nenn- oder unnennbaren 
1
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.