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Die Probe
Gemahl, wie so viel andere. Er hatte traurig ge
sagt: „Mir ist es manchmal, als ob sie gegen
unsere Freunde vertrauender und liebevoller wäre,
als gegen mich." So dachte also ein Ehemann,
ein sentimentaler Blinder, den das Gesetz Ehemann
nennt, über die besonderen Aufmerksamkeiten seiner
Frau gegen einen anderen. Mehr hatte er nicht
gemerkt! Er war eben wie alle übrigen, alle
anderen.
Wie seine eigene Frau, über ihn, Bondel, so
seltsam gelacht hatte:
— Du auch! Du auch! — Wie diese Geschöpfe
verrückt und unvorsichtig sind, daß sie einem solchen
Verdacht ins Herz gießen können, nur um den
Mann herauszufordern.
Er ging in Gedanken ihr gemeinsames Leben
durch, ihre früheren Bekanntschaften, ob sie etwa
jemals einem anderen mehr Vertrauen und Hin-
gebung geschenkt, wie ihm. Er hatte nie jeniand
in Verdacht gehabt, so ruhig und sicher war er
ihrer, so besaß sie sein Vertrauen.
Aber doch, sie hatte ja einen Freund gehabt,
einen intimen Freund, der beinah ein Jahr lang
drei Mal wöchentlich bei ihnen aß: Tancret, der
gute Tancret, der brave Tancret, den er, Bondel,
liebte wie einen Bruder, und den er immer noch
heimlich ab und zu sah, seitdem sich seine Frau