174
DaS Bild
Kleider angezogen oder sich anders frisiert, oder
sie machen den Eindruck, als wüßten sie genau,
daß sie gemalt werden und daß sie dann vor allen
da stehen werden, die sie ansehen, oder sie geben
sich absichtlich lässig in einem studierten Negligö.
Die einen stehen majestätisch da in voller
Schönheit, mit einem Ausdruck von Größe, den
sie sicher im gewöhnlichen Leben nicht oft gehabt
haben. Andere zieren sich auf der starren Lein
wand, und alle haben irgend eine Blume, ein
Schmuckstück, eine Falte am Kleide oder einen
Zug um den Mund, der vom Maler offensichtlich
auf den Effekt berechnet ist. Ob sie nun einen
Hut aufhaben, eine Spitze über dem Haar oder
im bloßen Kops sind, man errät immer irgend
etwas, das nicht ganz natürlich ist. Was? weiß
man nicht, da man sie nicht gekannt hat, aber
man fühlt es. Es ist. als wären sie nur zu Besuch
der Leuten, denen sie gefallen möchten und vor
denen sie sich möglichst vorteilhaft zeigen wollen.
Ihre Stellung, sei sie von oben herab, sei sie
ganz bescheiden, ist einstudiert.
Was soll ich von dieser sagen? Sie war
ganz intim, zu Haus, allein. Ja, sie war allein,
denn sie lächelte, wie man lächelt, wenn man still
an etwas Trauriges und Süßes denkt, nicht wie
man lächelt, wenn einen jemand sieht. Sie war