Das Bild
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{o allein und daheim, daß sie dieses ganze große
Zimmer absolut tot machte. Sie bewohnte, erfüllte,
belebte es ganz allein. Es konnten viele Menschen
hier eintreten, alle Leute konnten sprechen, lachen,
sogar singen, und sie wäre doch mit ihrem einsamen
Lächeln allein geblieben und hätte den Raum
allein belebt mit ihrem Blick aus dem Bilde
heraus.
Und dieser Blick war ganz einzig. Er richtete
sich ganz gerade auf mich, zärtlich und starr, ohne
mich zu sehen. Alle Bilder wissen, daß man sie
ansieht und antworten mit den Augen, die sehen,
oie denken, die uns folgen, ohne uns zu verlassen
vom Augenblick ab, wo wir eintreten, bis daß wir
die Wohnung, die sie bewohnen, wieder verlassen.
Dieses Bild sah mich nicht, sah nichts, obgleich
sein Blick gerade auf mich gerichtet war. Und ich
dachte an Beaudelaires wundervolle Verse:
„An Deinen Augen häng' ich wie festgebannt,
Als wärst Du ein Bildnis von Meisterhand."
Und wirklich zogen sie mich unwiderstehlich an,
trafen mich ganz seltsam, gewaltig, diese gemalten
Augen, die einst gelebt hatten oder vielleicht noch
lebten. O welch unendlicher Reiz wie ein sanfter
Windhauch, der liird geht, verführerisch wie der
in Lila, Blau und Rosa sterbende Abendhimmel,
ein wenig melancholisch wie die niedersinkende