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Ein Scheidungsgrund
Ich will Ihnen garnicht, meine Herren, dies
seltsame Benehmen, das wir alle nicht begreifen,
näher auseinandersetzen Ich werde Ihnen nicht
das furchtbare Beieinanderleben dieser beiden
Wesen und den entsetzlichen Kummer der jungen
Frau ausmalen.
Es genügt mir, um Sie zu überzeugen. Ihnen
ein paar Auszüge aus einem Tagebuch vorzulesen,
das der arme junge Mann täglich geführt hat —
der arme Irrsinnige.
Denn, meine Herren, wir stehen einem Irr
sinnigen gegenüber! Und der Fall ist um so
merkwürdiger, um so interessanter, als er in vieler
Hinsicht an den Wahnsinn des unglücklichen
Fürsten, der eben gestorben ist, des merkwürdigen
Königs erinnert, der platonisch über Baiern herrschte.
Ich möchte diesen Fall „den poetischen Wahnsinn"
nennen.
Sie erinnern sich, was man alles von diesem
seltsamen Fürsten erzählt hat. Er ließ in den
wundervollsten Gegenden seines Königreichs wahre
Feenschlösser errichten. Die thatsächliche Schönheit
der Dinge und des Ortes genügte ihm nicht, für
jene Wunderburgen erdachte er sich und erschuf
er einen künstlichen Himmel, durch Theaterkünste
neue Rundsichten, gemalte Wälder, Feenreiche, wo
jedes Blatt an den Bäumen aus Edelsteinen be