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ane nach dem Durlacher Tor warteten. Ich erkannte
unseren Schulrat und zog die Mühe. Er sah wohl meine
seltsame Verfassung und fragte mich aus, woher ich so
spät allein käme. Ick haspelte alles ab, von rückwärts
beginnend. Er war sehr ungnädig, zu hören, daß Schüler
unseres Alters ohne Begleitung Erwachsener solche Aus
flüge machten, wo sie Unfälle erleiden könnten. Ob Hugo
und die anderen Jungen da etwa auch eingekehrt feien und
Bier getrunken hätten, forschte er streng. Ich war ganz
mutlos und gab es zu. „Also auch ein moralischer Fall!"
sagte er ernst.
Mutter hatte es wirklich über sich gebracht, ihren
Kummer dem Leidenden zu verheimlichen. Flüsternd sprach
sie mit mir. Sie wollte in aller Frühe mit mir nach Wol-
fahrtsweier. Vater sollte nur erfahren, Hugo habe sich
den Fuß verstaucht und müsse Umschläge machen, sie wolle
einmal hin und nach dem Rechten sehen. Er hatte von der
Heidelberger Universitätsbibliothek eine Sendung Ouellen-
werke erhalten. Morgen war Sonntag, ich konnte also
gleich nach meiner Rückkehr Vater vorlesen. Vielleicht kam
auch Onkel Gustav und löste mich ab. Man dürfe Vater
gar nicht dazu kommen lassen, daß er sich ängstigte.
Ein herrlicher Maitag brach an. Ich hörte im Schlaf
zimmer der Eltern Lachen. Mutter lachte Vater aus -
weil er sich sorgte! Der Junge hatte sich den Fuß ver-
knaxt - und Vater wollte gleich wieder eine große Familien
tragödie daraus machen! „In ein paar Stunden ist der
kleine Oskar wieder zurück, bringt dir gute Nachricht lind
frische Grüße von Hugo, und dann ist er dein netter und
aufmerksamer Sekretär, gelt?" So ging es denn ganz fröh
lich hinaus, zuerst zum Tor mit der Pferdebahn, die seit
fünf Jahren die Kaiserstraße durchfuhr - bei der Ein-