gemerkt. Den Schwestern gestand ich's hernach. Und da
wollten sie wissen, ob wir uns zum Abschied einen Kuß
gegeben hätten. Ich beteuerte: nein. Aber sie haben es
uns nie geglaubt.
Minna war nun also verheiratet, und ich war noch ein
Schulbub. Ich empfand den riesengroßen Abstand ties
gedemütigt. Wie wütend war ich nun als bemooster Ober-
sekundaner über die zwei aus der Schulbank durch meinen
Leichtsinn verlorenen Jahre. Wenn ich mir auch von nun
an alle Mühe gab, so konnte ich doch frühestens mit
zwanzig Jahren die Hochschule beziehen. Was war ich
aber selbst als kleiner Musikstudent gegen sie, die dann
längst Mutterpflichten erfüllte, einem großen Hausstand
vorzustehen hatte, Bedeutung und Ansehen in der Gesell
schaft genoß, Herrin ihrer Zeit und ihres Willens war?
Irgend etwas leisten wollt' ich, das ihr bewies, daß ich
doch nicht nur der Durchfchnittöpennäler geblieben war.
Aber wenn ich jetzt die Stücke durchlas, die ich für sie
geschrieben hatte, die Gedichte, dann übersiel mich eine
arge Mutlosigkeit. Das Weltschmerzliche, das daraus
sprach, war längst überwunden. Inzwischen hatte ich doch
dies große Herzenserlebnis gehabt.
Der teure Umzug, der vor der Tür stand, die Ablösung
drückender Verpflichtungen, vorübergehend wieder Krank
heit, Kümmernisse aller Art brachten den Eltern noch ein
paar schwere Sommermonate. Die Barmittel reichten nicht
hin noch her. Vater mußte auf alle Fälle den neuen Band
seiner kulturgeschichtlichen Jugenderzählungen beendigen,
weil mit dem Honorar die Übersiedelung bestritten werden
sollte. Ein paar kleinere Arbeiten, die er für einen Dolks-
fchriftenverlag angelegt hatte, mußten liegenbleiben.
Schüchtern wagte ich mich einmal mit der Anfrage hervor:
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