zeigten, und daß ich ihr Gast bliebe. Ich mußte mich dann
ans Klavier fetzen und ihnen vorspielen. Mit Schumanns
„Aveu" schloß ich. Minna saß am Fenster und senkte tief,
tief den Kopf beim Lauschen.
Ich habe mich oft danach gefragt, ob denn Onkel Erwin
so gar nichts gemerkt hat. Daß fein Minnale wie aus
gewechselt sei, stellte er doch selbst einmal fest. Aber dabei
schien es ihn eben nur zu freuen, daß sie aus ihrer Einsam
keit für ein paar Tage erlöst war. Eifersüchtig war er gar
nicht. Wenigstens verriet er's nicht. Und - seltsam - ich
selbst war auch nicht eifersüchtig. Er war in meinen Augen
eben doch mehr der gütige, welterfahrene, überlegene Haus
vater als ein Liebhaber, auf den man eifersüchtig sein konnte.
Als ich nach ein paar festfrohen Gasttagen von P. schied,
hatte ich Onkel Erwin liebgewonnen. Ich wußte auch:
Minna konnte bei ihm nicht unglücklich werden.
Sie brachte mich mit ihrem Mann und ihren beiden
lustigen, rotbäckigen Stiefkindern zur Bahn. Als wir ein
paar Augenblicke für uns allein hatten, sagte sie: „Das war
arg lieb von Ihnen, Paul Oskar. Jetzt halt' ich's wieder eine
ganze Weile aus. Und gut werd' ich an Sie denken. Immerzu."
„Ich auch an Sie, Minna. Aber ein bissel Sehnsucht
wird dabei sein."
Nun sah sie mich mit etwas verschleiertem Blick an.
„Die Sehnsucht ist das Schönste."
Ein langer, fester Händedruck.
Wir haben uns dann nie mehr im Leben gesehen.
Der Zug kam. Ich dankte noch einmal herzlich und stieg ein.
Onkel Erwins Trabanten hüpften auf dem Bahnsteig in
die Höhe, klatschten in die Hände und sangen fröhlich:
„Muß i denn, muß i denn zum Städtle hinaus . . .!"
Das war der Abschied von meiner Kinderzeit.
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