Theaterdirektoren vorzusprechen und vorzuspielen. Natür
lich gab Vater seine Einwilligung nur, wenn sich eine
Bühne fand, an der wirklich künstlerisch gearbeitet wurde
und die auch die Klassiker Pflegte. Da die Proben Vater fest
hielten, auch die Gcschichtsstudien für eine neue Jugend
schrift, so setzte sich Mutter den schwarzen Kapotthut auf,
um bei den wichtigsten Theateragenten mit dein Debütanten
vorzusprechen. Meinem Bruder Hugo war diese mütterliche
Einführung nicht ganz recht, blnsere sieißige, abgehetzte und
vielseitige Mutter - Vaters ständige Diktataufnehmerin
und Abschreiberin - war zwar noch immer eine stattliche
Erscheinung, aber für ihre Person doch gar zu sparsam.
Der in den siebziger Jahren in Karlsruhe erstandene braun
karierte, jetzt schwarzgefärbte Plüschumhang bildete den
eisernen Bestand ihrer Herbst-, Winter- und Frühjahrs
ausstattung. Neben den Heldenmüttern, die in den Vvr-
zimmern der Theateragenturen eine fürstliche Pracht zur
Schau trugen, siel sie natürlich stark ab. Aber der Debütant
gefiel, das war keine Frage. Er war ein schöner Mensch,
groß, gut gewachsen, hatte ein anziehendes Gesicht, reh
braune, glänzende, etwas feuchte, ausdrucksvolle Augen,
vor allem eine warme, einschmeichelnde, gutgepflegte
Stimme. Der geborene Romeo damals, klnd die Haupt
sache: der durch Mutters zähes Beharren der Direktion des
Deutschen Theaters endlich doch entlockte Vorschuß hatte
es ermöglicht, unseren jungen Kunstnovizen tadellos auszu
statten. Ich war jedenfalls sehr stolz darauf, wie groß
städtisch mein großer Bruder gekleidet war. Freilich: über
mich mußte er immer lachen. „Provinz ini Äubiftagte
er. Es war ja wohl etwas Wahres daran. Trotz meinen
zwanzig Lenzen trug ich noch immer nieine langen, blonden
Locken: und ich steckte in einem in der „Goldenen Hundert