Full text: Gottgesandte Wechselwinde

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Zu der großen Bittansprache kommt es nicht. Nur ein 
schüchterner Einwand: „Aber sollte nicht die Gefahr vor 
liegen, Herr Direktor, daß das Publikum mein Können nach 
den so wenig reizvollen Aufgaben doch nur unvollkommen 
- vielleicht gar ungerecht - einschätzen wird?" 
„Es muß Ihr Leitsatz werden: Sie spielen nicht für die 
große Menge, sondern für die Kenner. Und wenn Sie mir 
gefallen, Herr Höcker, dann engagiere ich Sie." 
Das ließ das Herz nun doch wieder höher schlagen. 
Und Eduard Devrient hielt Wort. Noch bevor am Abend 
des ersten Gastspiels der Vorhang zum letzten Male fiel, 
kam er zwischen zwei Szenen aus die Bühne hinter die Ku 
lissen und sagte in seinem leisen, sanften Ton: „Sie sind 
engagiert, Herr Höcker." 
„Und - mein zweites und drittes Probegastspiel, Herr 
Direktor?" 
„Findet natürlich auch noch statt. Es wäre ja sonst ein 
Geldaussall für Sie. Ich wollte Ihnen nur alle Sorge von 
der Seele nehmen. Ihre weiteren Gastrollen spielen Sie 
nun also ganz allein für sich und für mich." 
Das Publikum war aber auch recht freundlich, die Karls 
ruher Zeitung lobte, und am i. Juni 1866 wurde der Ver 
trag, unkündbar auf fünf Jahre, vollzogen. 
„Was kostet die Welt?!" ries der nach Meiningen zurück 
kehrende Glückliche. Eine Iahreögagc von 2^00 Gulden! 
Beispiellos! Allerdings - man konnte nicht etwa daran 
denken, die Riesensumme bloß fürs tägliche Leben zu ver 
brauchen, denn nun galt es ja erst, eine Wohnungsein 
richtung anzuschaffen. Ein Möbelhändler in Karlsruhe gab 
auf den fünfjährigen Vertrag hin Kredit - eine kleine Woh 
nung in dem südlich der Bahn gelegenen Bahnhofsvor- 
städtchen war auch schon gemietet. Und für die ersten drei
	        
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