Full text: Gottgesandte Wechselwinde

9 
mehr, als ein Koffer und eine gestickte Reisetasche 
bergen konnten, abgezogen. 
Mein Vater hing mit einer geradezu ergreifenden Liebe 
an seinem alten Herrn. Auch zwischen Mutter und Groß 
vater bestand ein herzliches Einvernehmen. Und Großvater 
und Onkel Gustav umschlang das Band des gemeinsamen 
Dämmer- oder Abendschoppens, wobei sie bis zur Rührung 
vom Talent, vom Fleiß und vom Edelmut des für die 
Seinen sich aufopfernden „großen Oskar" schwärmen 
konnten. Weniger gemütlich waren bei der Engigkeit der 
infolge neuen Kindersegens mehrfach gewechselten Woh 
nungen die Beziehungen zwischen dem alten Herrn und der 
Schwiegermutter des Hauses. Sie waren wohl beide der 
Meinung, daß ihre Kinder vom Schicksal äußerlich viel 
bessere Partien verdient hätten. 
Die Erinnerung an die verschiedenen Wohnungen, die 
wir bis zum Siebziger Krieg innegehabt haben, dient mir 
für die ersten Kinderjahre als Gedächtnisstütze. Die Großen 
wunderten sich einmal darüber, daß ich als Knirps behaup 
tete, wir hätten „früher einmal" einen Garten gehabt, ich 
wüßte es ganz genau, da hätten wir auch immer in der 
Rosenlaube Schokolade getrunken und Kuchen gegessen. 
Sie stellten dann fest, daß eine solche Schlemmerfeier aller 
dings ein einziges Mal stattgefunden hatte, - aber daran 
könnte ich mich doch nicht erinnern! An Vaters Geburtstag 
im Jahre 1867 hatte sich Mutter vom Hauswirt Ecke der 
Bahnhofstraße ausgebeten, mit der Familie unten in der 
Laube im Hof frühstücken zu dürfen. Das war am 13. Juni 
gewesen - ich zählte also gerade achtzehn Monate. Das 
außergewöhnliche Ereignis - die große Festversammlung - 
die Rosen - die im Sonnenlicht zwecklos, aber feierlich auf 
dem Geburtstagskuchen brennenden Wachslichte - das alles
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.