17 Höcker
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bißchen ungeduldig. Grad mußten wir da zum Beispiel die
Biegung des Waldwegs erreichen, von der sich das „große
Fenster" mit dem herrlichen Ausblick über die weite See
landschaft auftat, da jauchzte Grete plötzlich auf und
eilte hügelabwärts auf die fonnige Wiefe: dort war alles
blau von wildem Ehrenpreis. Diefe kleinen Schöpfungs-
gefchenke, die uns am allernächsten standen, übersah ich oft;
aber ihr schienen sic fast noch wichtiger als die große, weite
Fernsicht. Ich begriff indes, daß darin ein Teil unserer
Ergänzung lag. Und bald war mir's, als ob ich die Welt
nun nicht nur mit zwei, sondern mit vier Augen sähe. Auch
wo sich's um Menschen und um Menschenschicksale
handelte.
Uber meine Arbeitspläne hatte ich bisher stets mit Vater
gesprochen. Er war jetzt überrascht, wie stark sich mein
Gesichtskreis erweiterte. Das Landleben war ihm selber
völlig fremd geblieben. Bei der Hochzeit hatte er aber in
Gretes Großonkel Julius, dem Wirtschaftsinfpektor eines
großen Gutes dicht an der russischen Grenze, einen wahren
Prachtmenschen kennengelernt. Er war von ihm auch herz
lich eingeladen worden, sich einmal diese ihm ganz neue
Gegend anzuschauen. Ich hätte es Vater gegönnt, das
wundervoll gehaltene Gut mit der großen Feld- und Wald
wirtschaft, der Pferdekoppel, den Viehställen, dein Geslügel-
hof, der reichen Jagd, der Brennerei und der Zuckerfabrik
zu durchwandern. Aber er lag ja immer an der Kette einer
neuen Arbeit und während der Theaterspielzeit stand er jetzt
doch Abend für Abend auf der Bühne. In Sudermanns
„Sodoms Ende" spielte er den alten Landwirt Janikow.
Es war mir geradezu unfaßbar, daß er den Onkel Julius
nicht schon seit vielen Jahren gekannt hatte, lange bevor er
diese täuschend ähnliche Gestalt auf die Bretter stellte, so