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versammelten uns in dieser, in jener Schule oder am Wasser
turm, verteilten Posten und Streifen unter uns und kehrten
im Morgengrauen nach Haus zurück. Meist waren eg
Männer zwischen vierzig und sechzig. Die Jugend fehlte.
Mehrere Mütter sträubten sich, ihren Primanern, die vor
dem Abitur standen, den Nachtschlaf zu rauben. Meine
Frau fand es übrigens auch nicht eben beruhigend, daß ich
mit dem Gewehr im Arm an der Grenze der Kolonie
Nachtposten stand, während in unserem eigenen Hause
kein männliches Wesen und keine Waffe zum Schutz da
war, falls irgendein Einbruch stattfinden sollte.
Ich gedenke noch mancher Fußmärsche zur Redaktion
hin und zurück, als tagelang die Straßenbahner und das
Omnibuspersonal streikten. Die Zeitschriften erschienen
unter beträchtlichen Schwierigkeiten und Einschränkungen.
Wenn die Post versagte, fehlte jede Möglichkeit, die Ter
mine für die Ablieferung des Textes oder der Korrekturen
an die Leipziger Druckerei einzuhalten. Die Daheim-
Expedition hatte schwere Zeiten. Ihr Chef Fritz Otto
Klasing war von seinem mehrjährigen Kriegsdienst an die
Spitze des Leipziger Verlags zurückgekehrt. In beiden
Verlagshäusern waren ebenso wie in der Berliner Schrift-
leitung jetzt wieder alle Abteilungen versammelt. Doch die
Unsicherheit, die durch Streiks, mangelhafte Postverbin
dung und zunehmende Papiernot entstanden war, machte
sich schmerzlich fühlbar. Manche Mitarbeiter verloren in
dem schwankenden Hinundher von Politik und Wirtschaft
die Herrschaft über die eigenen Nerven. Der Seniorchef
des Hauses konnte der umständlich gewordenen Bahnfahrt
halber nur selten von Bielefeld herüberkommen; doch
ich entsinne mich manches großzügigen Mahnwortes von
ihm, das der geistigen Richtung beider Zeitschriften galt.