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narius und Referveleutnant, dem einer der feudalen Pen
näler die kleine Szene gesteckt hatte, hernach beibringen
wollte, Seine Durchlaucht künftighin mit ,Sie° anzureden,
füll er erwidert haben: „Ha, no, - nord müßt eins ja zu
denne andere Rotznase ah Sie fage. Dees gebt's bei mir
net. Gleichheit muß fei."
Prinzen hatten es damals ja wohl im allgemeinen nicht
schwer, sich beliebt zu machen. Aber unser gemeinsamer
alter Mitschüler Emil Strauß, der ein gefeierter Dichter
geworden ist, wird mir bestätigen, daß der Zauber, der
damals von Max von Baden auf uns ausstrahlte, seine
Kosten nicht bloß daraus deckte, daß ein Prinz zu Bürgers
söhnen huldvoll war. Nein, das hätte uns nicht genügt.
Denn wir Jungen waren danials alle sehr demokratisch.
Vielleicht noch demokratischer, als er selbst es im unglück
lichen Oktober igiö zu sein glaubte. Schon weil wir
Bürgerlichen den geschmeidigen Ordinarius 3£ haßten, der
sich sogar dem halben Kind gegenüber so um die Fürsten
gunst drehte und wand. Professor Büchle, den wir fürch
teten, aber doch schätzten, war von anderem Schlage.
Einmal hielt er dem Prinzen eine Sonderpauke über
Fürstenpsiichten und Volksrechte. Das kam so. Die Re
ligionsstunde war vorbei. Ein unendlich gutmütiger
Predigtamtskandidat hielt sie ab, der .Paradieskutscher'.
Die Pause danach diente stets zu allerlei unchristlicher Er
holung. Es gab Künstler im Nachahmen von Tierstimmen.
Andere wieder schlugen mit Büchern im Takt aufs Schreib
pult. Selbst den sonst so liebenswürdigen Prinzen packte
der Teufel des klbermuts, und er ließ seine Bibel mif das
semmelblonde, schmalgescheitelte Haupt seines Vorder
mannes - des Primus, den keiner so recht leiden mochte -
niederklatschen. Im selben Augenblick Totenstille. Der