Full text: Gottgesandte Wechselwinde

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Seine Mutter spielte am Hoftheater gelegentlich eine 
„i. Bürgerin" oder „Dame der Begleitung". Meistens 
trat sie im Chor auf. Aber sie war Feuer und Flamme für 
ihren künstlerischen Beruf und begrüßte mich gleich bei der 
ersten Begegnung, als ich Albert D. begleitete, um mit ihm 
und seinen Geschwistern auf dem Hof zu spielen: „Ach, der 
kleine Hegger! Ha, guck, so Locke wie du hab' ich immer in 
Braunschweig getrage. Da hab' ich erschkes Fach am Hof- 
theater gespielt. Wenn ich als die Page gemacht hab', 
dann hawwe fe in der Fürstelohfch auf nix anderes geacht' 
als auf mich! Aber hier sin ja fo arg viel Intrige am 
Theater -!" Es war ein seltsames Haus, das der Familie 
D. Der Vater befaß ein kleines photographisches Atelier. 
Diel Aufträge hatte er nicht. Er war daher die eigentliche 
Hausfrau, brachte die Kleinsten zu Bett, während seine 
Gattin im Theater spielte, er kochte wohl auch, während 
sie Probe hatte. Sechs Kinder waren da. Mit den vier 
ältesten führten wir auf der Hoftreppe zur Waschküche die 
sigurenreichsten Theaterstücke auf. Der Braunschweiger 
Garderobenschließkorb der verkannten Künstlerin, der in 
der Waschküche stand, war unserer Benutzung freigegeben; 
sie selbst brauchte nichts mehr davon, denn als Choristin 
trat sie in den ihr vom Hoftheater gelieferten Kostümen 
auf. Was für Herrlichkeiten kramten wir aus dem Korb 
aus: Märchenfchuhe, griechische Tuniken, rote, fleisch- 
farbene, weiße, blaue Trikots. Der Korb mochte früher 
im Laboratorium hinter dem Atelier gestanden haben: sein 
Inhalt roch, wie alles dort im Umkreis, stark nach Chemi 
kalien. Aber dies Fremde war für mich ein besonderer 
Anreiz. Alberts älteste Schwester mochte vierzehn oder 
fünfzehn Jahre zählen. Ein bildhübsches Ding. Fast noch 
fesselnder als das Spielen selbst war daher das Umziehen,
	        
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