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immer gleich die guten Beziehungen herhatte: kaum stand
auf der Schießwiese am „Sallewäldle" oder auf dem Lud
wigsplatz eins der geheimnisvoll loekenden Zelte fertig da,
so hatte er gleich mit einem der jüngeren Artisten dicke
Freundschaft gesehlossen. Angefangen von dem dressierten
Meerschweinchen bis zu den Künsten der Kanonenkönigin,
gab es für uns kein Geheimnis. Immer brachte Albert den
blassen Künstlern kleine Geschenke mit: Taschenmesser,
Buntstifte, Mundharmonikas, Kämme und anderen Jahr
marktskram. Einmal hängte er fröhlich bei mir ein, drückte
meinen Arm und sagte: „Heut derfsch du mit stenze gehe,
mit dem Hermännle mag ich nimmer." Und aus meine ver
wunderte Frage zeigte er mir, wie man das machte: wo an
einer der Messebuden Andrang war, da schob man sich all
mählich in die vorderste Reihe, nahm von der Auslage,
was gerade leicht zu erreichen war, und ging dann harmlos
weiter. Ich machte wohl sehr große, erschrockene Augen:
„Aber das ist doch Diebstahl, Albert!" Darüber wollte er
sich kugeln. „Mir gehe doch immer stenze, wenn Mess'
isch!" Damals gelangte ich mit schlotternden Knien heim.
Ein paar Tage schwieg unser Verkehr. Albert kam auch
nicht zur Schule. Und dann stürzte Onkel Gustav eines
Abends aufgeregt ins Kinderzimmer. „Wo ist der kleine
Oskar?! - Also du setzt mir keinen Fuß mehr zu O.s!"
Ich glaubte schon alles verraten. Aber Onkel Gustav:
„Dort herrscht Diphtherie, die Älteste und der Zweit
jüngste sind heute nacht gestorben, eben erzählten sie's am
Stammtisch drüben, ich bin eigens herübergelaufen, Auf
regungen hat man mit euch Kroppzeug, Aufregungen . . .!"
bind polternd zog er wieder ab. In diesen Tagen nahm fast
die ganze Stadt Anteil an dem tragischen Geschick des Ehe
paares O. Der Würgengel raubte den Ärmsten in der