Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

$ 26. Die Rechtsstellung der Bürger, insbes. die 
Grundrechte. 
Nächst der rechtlichen Gestaltung der staatlichen Leistungen 
und der dadurch bedingten Leistungen des Bürgers ($ 138) hängt 
das rechtliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger wesentlich 
davon ab, in welchem Grade durch das Staatsrecht eines Staats 
die sog. Grund-, Menschen- oder Freiheitsrechte aner- 
kannt und ausgebildet sind, (Erklärung der Menschenrechte durch 
tranz. Nationalvers. 1789/90 im Anschluss an Amerika, Grund- 
rechte der Frankfurter Nationalvers. 1848). Die Grundrechte be- 
deuten nicht die Rechte gewisser Bürger, sich an den staatlichen 
Thätigkeiten oder wenigstens mittelbar an der Bildung staatlich 
thätiger Organe zu beteiligen (wie bes. das Wahlrecht, — oft 
sog. Rechts- oder Volksfreiheit). Vielmehr bedeuten sie sämt- 
lich die rechtlich gewährleistete Möglichkeit des Bürgers, sich in 
der Gestaltung der individuellen Existenz frei zu entfalten und die 
entspr. Pfiicht des Staats, den Einzelnen hierin nicht oder wenigstens 
nur aus den rechtlich fixierten Gründen zu beschränken. Da diese 
rechtliche Macht, wenn überhaupt, jedenfalls nicht nur bestimmten 
Personen unter Ausschluss andrer zuerkannt wird, sondern schlecht- 
hin jedem Bürger, so lässt sich korrekt nur von rechtlichen Be- 
ziehungen, nicht von subjektiven Rechten im e. S. reden, da der Begriff 
des subj. Rechts stets einen Vorzug vor andern einschliesst, 
Die rechtlich gewährte Freiheit des Einzelnen umfasst über- 
lieferungsgemäss : 
I. die Unverletzlichkeit der Person, — des Lebens, 
der Bewegungsfreiheit (keine willkürliche Freiheitsent- 
ziehung), des Hausfriedens, des Brief- u. Schriftengeheim- 
nisses (keine willkürliche. Durchsuchung ete.), 
2. die Freizügigkeit, — im einzelnen: die Auswanderungs- 
u. Niederlassungsfreiheit u. die Berufs- u. Gewerbefreiheit 
(m. a. W. die wirtschaftl. Bewegungsfreiheit), 
3. die Gedankenfreiheit, — im einzelnen: die Be- 
kenntnisfreiheit und die Freiheit der Meinungsäusserung 
(Versammlungs- und Pressfreiheit). 
Besonders in der neueren Zeit ist aber als weitere Forderung 
auch die der Vereins-, und Organisationsfreiheit hinzu-
	        
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