(Stände, Rassen, Religionsparteien etc.) im gegebenen Moment ver-
folgen. Allgemein lässt sich hierüber nur feststellen, dass weder
die Theorie der Einseitigkeit noch die der Allseitig-
keit zutrifft, und zwar für keinen Staat und keine Zeit. Niemals
hat der Staat ‘nur die einseitige Aufgabe der Sicherung (Landes-
verteidigung und Rechtspflege): selbst die primitivsten Staaten
sorgen bereits für die Kultusbedürfnisse des religiösen Lebens, und
auf höheren Stufen werden die Aufgaben der materiellen und
geistigen Wohlfahrt denen der Sicherheit gleich rücksichtswürdig.
Aber andrerseits. hat der Staat auch nie die Aufgabe allseitiger
Befriedigung der Kulturgüter, In allen Verhältnissen bleibt dem
Einzelbürger, der Familie, den freiwilligen Verbänden der Individuen
ein Gebiet überlassen, auf welchem er nach seinem Belieben und
nach seinen höchst individuellen Bedürfnissen der Beschaffung der
privaten Güter nachgeht (Familienleben, Wirtschaft und Haushalt,
geistige Ausbildung, Vergnügen etc.), Die staatlichen Verbände
beschaffen nur die öffentlichen (im Zweifel für alle Bürger oder
für grosse Bevölkerungskreise gleich notwendigen) Güter. Sie
lassen neben der staatlichen Thätigkeit stets ein Gebiet der indivi-
duellen, privaten Selbstbestimmung, eine Sphäre der persön-
lichen (bes. wirtschaftlichen) Freiheit. offen.
II.’ Immerhin enthält. die ältere Staatlehre (I) doch auch in
dieser Frage einen berechtigten Kern:
a) Einerseits ist die Grenze zwischen Staatsthäti gkeit
und Privatthätigkeit (Freiheit) ebenfalls verschiebbar. Die
Aufgaben des Staats sind zwar nie allseitig, aber doch unbegrenzter
Vielseitigkeit fähig. Sie können also auch unter Umständen
in das Gebiet der persönlichen Thätigkeit hinein ausgedehnt werden,
wenn im gegebenen Fall alle Bürger oder gewisse Bevölkerungs-
schichten zu schwach, zu ungebildet ete. sind, um Bedürfnisse zu
befriedigen, die regelmässig wohl der Befriedigung durch die
private Fürsorge überlassen werden: Bevormundung in Berufs-
wahl, ländlicher Bewirtschaftung, Tracht (griechische Tyranuen,
Staat des 17. u. 18. Jh.). Auf die Dauer lässt sich allerdings eine
staatliche Expansion der Aufgaben auf die private Gütersphäre
(Polizeistaat) nicht durchführen, — und gerade der Opposition