Richard Schmidt, Staatelehre 9.
tum an natürliche Bedingungen (Abstammungs- und Wohnsitz-
yemeinschaft (0. Einleitung I) geknüpft ist. "Theoretisch ist aller-
dings dieser Vergleich des Staats mit den natürlichen Organismen
wertlos, denn die die letzteren bestimmenden Gesetze lassen sich nicht
ohne weiteres auf das Staatsleben übertragen. Wohl aber kann
durch den Vergleich der praktische Gedanke ausgedrückt werden,
dass ein Staat am gesundesten, lebensfähigsten ist, wenn er auf
möglichst organischem Zusammenhang, d.h, auf möglichst
fester natürlicher Einheit der Nationalität und des Gebiets beruht.
Er tritt als solcher in Gegensatz zu einem vorwiegend mechanisch
(durch gewaltsame Eroberung, künstliche Verfassung) zusammen-
gehaltenen Staat (Staaten der Völkerwanderung, der Kreuzzüge,
— heutiges Oesterreich). Nur bleibt zu bedenken, dass in diesem
Sinne Organismus und Mechanismus keine sich ausschliessenden
Gegensätze sind. Auch der beste Staat kann, da er in den
Dienst bewusster Zwecke gestellt wird, mechanischer Veranstal.
tungen, und sogar möglichst vollkommener. nicht entbehren (0. 8 2.
1. Ebenfalls praktische Gegensätze schweben (unbewusst,
den verschiedenen Versuchen der Doktrin vor, das Rechtssubjekt
„Staat“ zu bestimmen. Für ein politisches Gebilde, in welchem
eine einzige Einzelperson oder Personengemeinschaft (Fürst, Volks-
versammlung) sämtliche Funktionen (Gesetzgebung und Kin-
setzung aller Behörden) in sich zusammenfasst (d..h. für den
absoluten Staat) ist es logisch ganz gleichgiltig, ob man die mit
Wirksamkeit handelnde Person in dem Träger’ der Staatsgewalt
erblickt oder in dem Verband aller Mitglieder des Staats, dem
„Staatsvolk“, für den der Herrscher als Organ handelt. Mit
der Theorie der Verbandsperson soll offenbar nur deutlicher aus-
gedrückt werden, dass das Volk der höhere Interessenträger ist,
für dessen Wohl die Staatsgewalt verantwortlich ist; ob man aber
annehmen will, dass diese nur sittlich sich selbst verantwortlich
ist oder rechtlich gegenüber dem Volk, also einer anderen
Person, ist eine Konstruktionsfrage ; jedenfalls hat im absoluten Staat
das Volk keine formelle Handhabe, diese Verantwortlichheit geltend