Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

zu machen. Unerlässlich wird aber die Verbandspersonen-Theorie 
zum Verständnis der realen Vorgänge dann, wenn für Gesetzgebung 
und Regierungskontrolle eigne Organe ausgebildet sind, deren 
Dasein und Thätigkeit von dem Willen der Regierung unabhängig 
ist (vgl. o. $ 4), denn dann — im Verfassungsstaat — können z. B. 
König und Volksvertretung nur als verschiedne koordinierte Organe 
der Verbandsperson begriffen werden; eine einheitliche „Staatsgewalt“ 
giebt es hier nicht, Der ganze Meinungsstreit bringt also lediglich 
die praktische Alternative des absoluten Staats oder‘ des Ver- 
fassungsstaats zum Ausdruck. In ihm löst sich deshalb auch die 
Frage auf, ob man dem Staatsvolk eine „Volkssouveränetät“ bei- 
legen müsse oder nicht. Im engern Sinn kann man dies natürlich 
nur da, wo das Volk regiert, d.h. gegenüber einer Demokratie, 
Allgemeingültig dagegen lässt sich die Volkssouveränetät 
wiederum nur in dem Sinne erstreben, dass das Volk eine höhere 
Persönlichkeit darstellt, dem jede Regierung rechtlich ver- 
antwortlich ist. 
Sekundär ist die Frage, ob das Staatsrecht, falls man es als 
Persönlichkeit auffasst, als blus gedachte, fingierte Person oder 
als reale Gesamtperson anzusehen ist. Auch sie ist nicht aus der 
blos logischen Erwägung zu beantworten, ob das Volk einen 
realen Willen besitzt und bethätigt. Denn „Wille“ ist wiederum 
vieldeutig, Selbstverständlich kann eine Mehrheit von Personen 
nie einen einheitlichen Willensimpuls (im eng. S.) produzieren. 
Wohl aber kann man mit einer Einheit des Volkswillens andeuten, 
dass alle oder möglichst viele Bürger hinter den Willenshand- 
‚ungen der staatlichen Organe stehen, sie billigen und unterstützen, 
dass die Regierung mit den Zweckmässigkeits- und Rechts- 
vorstellungen der Bürger übereinstimme. Es soll also durch 
die Theorie der realen Gesamtperson der praktisch wünschens- 
werte Zustand bezeichnet werden, bei welchem die Gegensätze 
der Parteien möglichst wenig die Verfolgung der gemeinsamen 
Zwecke hindern, — die schon von Platon geforderte „Einheit“ des 
Volks (o. 8 5, I). 
Hiernach haben die zur Wesensbezeichnung des Staats auf- 
gestellten Begriffe nur die Bedeutung von Schlagworten zur Be- 
zeichnung der Eigenschaften, von denen (gemäss $ 1—5) der Wert 
des einzelnen historischen Staats abhängt.
	        
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